„Dem Sonnenplasma bei der Arbeit zusehen”

Dirk Eidemüller

Glaslinse vor einer Fassung, in der ein weiteres Glasbauteil violett leuchtet

LMA/CNRS

Die hawaiianische Insel Maui bietet hervorragende Beobachtungsbedingungen für Astronomen. Auf dem Gipfel eines Vulkans – in einer Höhe von mehr als drei Kilometern über dem Meeresspiegel – entsteht derzeit das größte jemals gebaute Sonnenteleskop. Das Daniel K. Inouye Solar Telescope oder kurz DKIST soll ab 2019 unter anderem Sonnenflecken, Plasmaturbulenzen und Massenauswürfe im Detail untersuchen. Über die Herausforderungen beim Bau eines solchen Teleskops sprach Welt der Physik mit Wolfgang Schmidt vom Kiepenheuer-Institut für Sonnenphysik in Freiburg, das eines der fünf Hauptinstrumente federführend mitentwickelt.

Welt der Physik: Welche bislang ungelösten Rätsel der Sonnenforschung wollen Sie mit dem neuen Sonnenteleskop angehen?

Wolfgang Schmidt: Das große wissenschaftliche Ziel besteht darin, die Wechselwirkungen zwischen dem heißen Sonnenplasma und den Magnetfeldern an der Sonnenoberfläche aufzuschlüsseln. Diese Wechselwirkungen sind für viele grundlegende Fragen von entscheidender Bedeutung – sowohl für die Entstehung und Entwicklung von Sonnenflecken als auch für die Massenauswürfe der Sonne, die etwa Satelliten lahmlegen können. Die Wechselwirkungen spielen aber auch eine zentrale Rolle für das Aufheizen der Korona. Diese äußere Hülle der Sonne ist sehr viel dünner und sehr viel heißer als die normalerweise sichtbaren obersten Schichten der Sonne, die sogenannte Photo- und Chromosphäre.

Porträt des Wissenschaftlers Wolfgang Schmidt

Wolfgang Schmidt

Wie kann das DKIST bei dieser Frage weiterhelfen?

Theoretiker haben mithilfe von Computersimulationen vorhergesagt, dass die entscheidenden Prozesse für das Aufheizen der Korona – wie etwa die Bildung und Kontraktion von Plasmaschläuchen – auf der Größenskala von zwanzig bis vierzig Kilometern stattfinden sollten. Mit bisherigen Teleskopen lässt sich das aber bestenfalls erahnen: Deren Auflösung liegt typischerweise noch um ein Mehrfaches darüber. Mit dem DKIST werden wir erstmals Strukturen mit einer Ausdehnung von zwanzig Kilometern beobachten und damit dem Plasma auf der Sonnenoberfläche bei der Arbeit zusehen können.

Mit Sonnenteleskopen will man etwas tun, wovor andere Astronomen zurückschrecken, nämlich direkt in die Sonne schauen. Wie verhindern Sie, dass die Komponenten bei der eingestrahlten Wärme einfach schmelzen?

Der über vier Meter große Hauptspiegel erwärmt sich bereits stark und muss mit einer aktiven Luftkühlung auf die Temperatur der Umgebungsluft gekühlt werden. Er ist zwar mit einer Aluminiumschicht bedampft, die über 93 Prozent des Sonnenlichts reflektiert. Aber die verbleibende Wärme muss abgeführt werden. Sehr viel kritischer wird es weiter hinten im Strahlengang, wo das Sonnenlicht konzentriert wird.

Und wie lösen Sie dieses Problem?

Wir haben uns beim DKIST für einen speziellen Spiegelaufbau entschieden, bei dem das Licht bereits vor dem Sekundärspiegel einen Brennpunkt durchläuft. Hier wird eine massive Metallblende 97 Prozent des Sonnenlichts wegfiltern, ohne die optischen Eigenschaften des Teleskops zu beeinträchtigen. Wir lassen sozusagen nur Licht aus dem zentralen Bildbereich durch, sehen diesen aber mit voller Schärfe. Dementsprechend weniger Hitze fällt dann auf dem Sekundärspiegel und den weiteren optischen Komponenten an, sodass dort eine einfache Kühlung ausreicht. Die Metallblende muss allerdings mit einer leistungsfähigen Wasserkühlung vor dem Schmelzen bewahrt werden.

Wie sieht der weitere Weg des Sonnenlichts im Teleskop aus?

Nach dem Sekundärspiegel folgt zunächst noch die adaptive Optik, die Turbulenzen der Erdatmosphäre mit einer ausgefeilten Mechanik ausgleicht: Zwei nur 25 Zentimeter durchmessende Membranen können mithilfe von über 1500 Aktuatoren blitzschnell verbogen werden und ermöglichen dadurch einen extrem scharfen Blick. Das ist bei so großen Teleskopen mittlerweile Stand der Technik. Dann läuft der Strahl weiter auf die fünf Instrumente.

Metallenes Bauteil, das einem Rad an einem Ständer ähnelt

Prototyp eines Filterrads für das VTF

Welche Instrumente sind das?

Eines davon dient der Untersuchung der Korona und kann nur im Solo-Modus betrieben werden. Die anderen vier Instrumente lassen sich gleichzeitig betreiben und liefern Informationen über die Sonnenoberfläche bei verschiedenen Wellenlängen. Dass wir diese vier Instrumente gleichzeitig betreiben können, ist eine einzigartige Errungenschaft. Denn durch die verschiedenen Wellenlängen können wir Geschehnisse in unterschiedlichen Höhen beobachten. So sehen wir nicht nur ein zweidimensionales Bild von der Sonnenoberfläche, sondern können praktisch einen Kubus aufnehmen und die auf- und absteigenden Plasmaströme als dreidimensionale Prozesse untersuchen.

Ihr Institut leitet den Bau des sogenannten Visible Tunable Filters oder kurz VTF. Wozu dient dieses Instrument?

Mit dem VTF können wir innerhalb weniger Sekunden verschiedene Spektrallinien im sichtbaren Bereich des Lichts untersuchen und zugleich die Magnetfelder analysieren. Es handelt sich um ein sogenanntes Spektropolarimeter. Dieses Gerät kann bei bestimmten Wellenlängen zugleich die Polarisation des Sonnenlichts aufnehmen. Mithilfe eines ausgeklügelten Verfahrens können wir so etwa bei der Aufnahme eines Sonnenfleckens sehen, wie das Plasma und die Magnetfelder in den verschiedenen Stellen miteinander wechselwirken.

Bis wann soll das DKIST fertiggestellt sein?

Das Projekt läuft seit Jahren ohne nennenswerte Verzögerungen. Wenn alles weiter nach Plan läuft, sollten wir bereits nächstes Jahr das erste Mal mit dem Teleskop gen Sonne blicken können. Mit ersten wissenschaftlichen Ergebnissen dürfte dann im Jahr darauf zu rechnen sein.


Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Projekt „Integration, Kommissionierung und Verifikation des Visible Tunable Filter Instrument VTF für das Daniel K. Inouye Solar Telescope“ im Zeitraum von Juli 2017 bis Dezember 2021 mit rund 1,2 Millionen Euro.

Fördersumme: 1 242 652  Euro

Förderzeitraum: 01.07.2017 bis 31.12.2021

Förderkennzeichen: 05A17BK1

Beteiligte Institutionen: Kiepenheuer-Institut für Sonnenphysik

Quelle: https://www.weltderphysik.de/thema/bmbf/astro-und-astroteilchenphysik/dem-sonnenplasma-bei-der-arbeit-zusehen/