Der kosmischen Strahlung auf der Spur

Franziska Konitzer

Eine Nachtaufnahme zeigt einen klaren Sternenhimmel mit einem Leuchten über dem Horizont. Im Vordergrund ist einer der Wassertanks des Pierre-Auger-Observatoriums, im Hintergrund eines der Fluoreszenzteleskope.

Mithilfe von Wassertanks und Fluoreszenzteleskopen untersuchen Wissenschaftler am Pierre-Auger-Observatorium die Spuren von kosmischen Teilchen, die stetig aus dem All auf die Erdatmosphäre prasseln. Um den Ursprung dieser Partikel zurückzuverfolgen, wird das Observatorium derzeit zu AugerPrime aufgerüstet. Im Rahmen der Verbundforschung beteiligen sich auch mehrere deutsche Forschergruppen an AugerPrime.

Atomkerne mit Energien von bis zu 1020 Elektronenvolt treffen aus dem Weltall auf die Erde – diese Energien sind hundert Millionen Mal größer als die Maximalenergie des Large Hadron Collider am Forschungszentrum CERN. Die kosmischen Teilchen dringen aber nicht bis zur Erdoberfläche durch. Sie stoßen stattdessen auf Atome in der Erdatmosphäre und lösen dadurch Teilchenschauer aus sogenannten Sekundärteilchen aus, welche die Erdoberfläche über ein kilometergroßes Gebiet verstreut erreichen. Mitten in der argentinischen Pampa spüren Wissenschaftler diese Teilchen seit 2008 mit dem Pierre-Auger-Observatorium auf.

Das Observatorium besteht aus 1600 Wassertanks, die über eine Fläche von 3000 Quadratkilometern verteilt sind. Durchqueren die Sekundärteilchen diese Wassertanks, erzeugen sie aufgrund ihrer hohen Geschwindigkeit bläuliche Lichtblitze im Wasser, das sogenannte Tscherenkowlicht, anhand dessen Forscher auf die Energie und die Richtung der kosmischen Primärteilchen schließen können. Zusätzliche Fluoreszenzteleskope am Rand des Beobachtungsfeldes blicken in dunklen Nächten auf den Himmelsausschnitt über den Wassertanks. Die geladenen Sekundärteilchen regen die Stickstoffmoleküle in der Erdatmosphäre zum Leuchten an. Aus dem charakteristischen Höhenprofil dieser Leuchtspur lässt sich die Art der kosmischen Strahlung ableiten.

Im Vordergrund ist ein Wasser-Tscherenkow-Detektor zu sehen, im Hintergrund auf einer leichten Anhöhe ein Teleskopgebäude.

Das Pierre-Auger-Observatorium

Gerade die Teilchen mit den höchsten Energien stellen Forscher vor ein Rätsel: „Wir haben keine Ahnung, wo sie herkommen und wie sie dort produziert werden“, sagt Karl-Heinz Kampert von der Universität Wuppertal. „Das Ziel des Pierre-Auger-Observatoriums war und ist daher, die Quellen dieser höchstenergetischen kosmischen Teilchen zu finden. Dies ist eines der wichtigsten ungelösten Probleme der Astrophysik.“

Hinweise auf die Quellen könnte eine Obergrenze für die Energie der kosmischen Strahlung liefern, die man sowohl mit dem Pierre-Auger-Observatorium als auch mit anderen Observatorien beobachten konnte. „Wir messen ungefähr drei Ereignisse pro Minute. Aber die Anzahl der Ereignisse nimmt mit höherer Energie der Teilchen stark ab“, berichtet Kampert. „Oberhalb von 1020 Elektronenvolt ist eigentlich Schluss.“

Als Ursache für diese Obergrenze haben Forscher zwei mögliche Mechanismen ausgemacht. „Zunächst wurde angenommen, dass die kosmische Strahlung durch die Photonen der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung abgebremst wird. Diesen Prozess der Wechselwirkung kennt man unter dem Begriff GZK-Effekt“, erläutert Kampert. Dieser Effekt galt lange als Favorit zur Erklärung der energetischen Obergrenze. Beobachtungen mit dem Pierre-Auger-Observatorium lieferten allerdings Hinweise auf einen ganz anderen Mechanismus. „Wir hatten eigentlich erwartet, dass bei den höchsten Energien ausschließlich Protonen, also Wasserstoffkerne, auftreten. Dementsprechend wurde auch das Observatorium gebaut“, so Kampert. „Aber unsere Beobachtungen ergaben stattdessen schon weit unterhalb der GZK-Schwelle eine Verschiebung der Massenzusammensetzung der kosmischen Strahlung weg von Protonen, hin zu Helium- und Stickstoffkernen in Richtung Eisen. Da haben wir zunächst wirklich sehr stark gezweifelt.“

Eine technische Gerätschaft ist in einem Spiegel gesehen. Dabei handelt es sich um die Kamera des Fluoreszenzteleskops.

Kamera eines Fluoreszenzteleskops

Die natürlichste Erklärung für diese Beobachtung ist, dass die kosmischen Teilchenbeschleuniger ihre Leistungsgrenze schon unterhalb der GZK-Schwelle erreichen. „Wenn Atomkerne in einem Magnetfeld auf Kreisbahnen gezwungen werden, können sie umso stärker beschleunigt werden, je höher ihre chemische Ordnungszahl ist“, erklärt Kampert. „Genau so etwas beobachten wir in unseren Messungen: Atomkerne der kosmischen Strahlung mit hoher Ordnungszahl erreichen höhere Energien als die Protonen. Das ist ein starkes Indiz dafür, dass wir in erster Linie solche kosmischen Teilchenbeschleuniger beobachten, die zwar Atomkerne, nicht aber Protonen bis auf 1020 Elektronenvolt beschleunigen können.“

Was genau sich hinter diesen kosmischen Teilchenbeschleunigern verbirgt, wissen die Astrophysiker noch nicht. Derzeit gelten weit entfernte aktive galaktische Kerne als Favoriten, da diese extrem viel Energie bereitstellen können: In den Jets um extrem massereiche Schwarze Löcher ließen sich Teilchen auf extrem hohe Energien beschleunigen. Bislang liefern die Beobachtungen allerdings nur Indizien. Entscheidende Anhaltspunkte könnte eine Himmelskarte geben, die den Ursprung von leichten und schweren Primärteilchen der kosmischen Strahlung zeigt. Dafür benötigen die Astrophysiker allerdings mehr Daten über die Art der Teilchen – und um die zu bekommen, wird das Pierre-Auger-Observatorium derzeit erweitert. „In erster Linie kommen am Erdboden als Sekundärteilchen Elektronen und Myonen an. Das Verhältnis von Elektronen und Myonen ist ein direktes Maß für die Masse der Primärteilchen“, erläutert Kampert. „Die Wasser-Tscherenkow-Detektoren selbst sind besonders empfindlich für die Myonen.“

Ein Wissenschaftler arbeitet an einem der Wassertanks des Pierre-Auger-Observatoriums.

Aufrüsten der Wasser-Tscherenkow-Detektoren

AugerPrime, so der Name der Erweiterung, sieht daher vor, dass jeder der 1600 Wassertanks mit einem zusätzlichen Szintillationsdetektor ausgestattet wird: Passieren geladene Teilchen solche Detektoren, lösen sie darin Lichtblitze aus, die ihrerseits einen messbaren elektrischen Strom verursachen, der umso stärker ist, je höher die Anzahl der geladenen Teilchen war. Die Szintillationsdetektoren sind besonders empfindlich auf Elektronen und erlauben somit in Kombination mit den Wasser-Tscherenkow-Detektoren eine Bestimmung des Verhältnisses von Elektronen und Myonen. „Aus dem Zusammenspiel der Detektoren können wir für jeden einzelnen Teilchenschauer auf die Masse des Primärteilchens schließen und so mit einem Schlag unsere Statistik verzehnfachen“, sagt Kampert.

Im Rahmen der Verbundforschung fördert das BMBF deutsche Forschergruppen, die an AugerPrime mitarbeiten. So bauen Wissenschaftler aus Aachen und Karlsruhe insbesondere die Szintillatoren, während sich Forscher aus Siegen und Wuppertal um die Erneuerung der Elektronik kümmern und Forscher aus Hamburg an den Berechnungen der Teilchenpropagation arbeiten. Im September wurden die ersten Prototypen der Szintillationsdetektoren an einigen Wassertanks installiert, ihre Messdaten überprüfen die Forscher derzeit. Im nächsten Frühjahr beginnt dann die Serienproduktion der neuen Detektoreinheiten. Bis Ende 2018 soll der Aufbau abgeschlossen sein, die Datennahme ist bis ins Jahr 2025 vorgesehen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/thema/bmbf/astro-und-astroteilchenphysik/der-kosmischen-strahlung-auf-der-spur/