Hightech für das Very Large Telescope
Franziska Konitzer
Das kürzlich in Betrieb genommene Instrument GRAVITY verbindet die vier einzelnen Teleskope des Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte ESO – und steigert damit das räumliche Auflösungsvermögen um das 25-fache eines Einzelteleskops. Im Rahmen der Verbundforschung haben Wissenschaftler der Universität Köln die Spektrometer und Kameras für das Instrument entwickelt, in denen die Lichtstrahlen zusammengeführt und die Daten aufgezeichnet werden.
Das Very Large Telescope, kurz VLT, der Europäischen Südsternwarte ESO in der chilenischen Atacamawüste ist weltweit derzeit eines der besten Teleskope für den optischen und nahen Infrarotbereich. Es setzt sich aus vier Hauptteleskopen mit einem Spiegeldurchmesser von je 8,2 Metern sowie vier kleineren Hilfsteleskopen zusammen. Nach über 15 Jahren Betriebszeit wird das VLT nun mit einer zweiten Generation von Hightech-Instrumenten ausgestattet, die das Auflösungsvermögen des Teleskops weiter steigern, um etwa die winzigen Bewegungen weit entfernter Himmelskörper ausmachen zu können.
Möglich wird dies durch das Prinzip der Interferometrie. Das räumliche Auflösungsvermögen eines Teleskops hängt von der Größe seiner Lichtsammelfläche ab, also von seinem Spiegeldurchmesser. Der Trick bei der Interferometrie besteht nun darin, mehrere Teleskope zusammenzuschalten und das aufgefangenen Licht gemeinsam auszuwerten. Je weiter die Teleskope dabei voneinander entfernt sind, desto höher wird das Auflösungsvermögen.
Im Fall des VLT wird in Zukunft GRAVITY die Einzelteleskope zu einem Interferometer verbinden. Dabei handelt es sich um ein sogenanntes Strahlvereinigungssystem, in dem die Signale der vier Hauptteleskope zusammengeführt werden. GRAVITY nutzt die bereits vorhandene Interferometriestruktur am VLT und befindet sich in einem unterirdischen Labor. Das Instrument ist für den nahen Infrarotbereich ausgelegt. „GRAVITY ist für den Wellenlängenbereich zwischen 1,3 und 2,3 Mikrometer, also millionstel Meter, sensibel“, erklärt Andreas Eckart, der an der Universität Köln im Rahmen der Verbundforschung an GRAVITY mitarbeitet. „Zwei Mikrometer ist viermal länger als die Wellenlänge des optischen Lichts, ein halber Mikrometer entspricht etwa der Farbe Gelb.“
Detailreiche Bilder mit GRAVITY
Die Auflösung der mit GRAVITY aufgenommenen Bilder ist 25-mal höher als bei den einzelnen Hauptteleskopen. Damit übertrifft das neue Instrument sogar die Auflösungskraft des Weltraumteleskops Hubble. Darüber hinaus soll GRAVITY die Position von Objekten im Viertelstundentakt vermessen – und wird dabei zehnmal genauer arbeiten als die gegenwärtigen Interferometer am VLT.
Andreas Eckart beschreibt den Ablauf einer interferometrischen Messung am VLT: „Alle vier Teleskope schauen gemeinsam in dieselbe Richtung auf eine Quelle. Je nachdem, wo diese Quelle am Himmel ist, sind die Lichtpfade zu den Teleskopen aber nicht genau gleich lang, das Licht trifft also bei einem Teleskop etwas eher ein als bei einem anderen. Das ist zwar nur ein winziger Augenblick, aber der ist lang genug, um korrigiert werden zu müssen“, so Eckart.
Aufgrund der winzigen Wegunterschiede ergibt sich ein hochkomplexes Interferenzmuster, sobald die Strahlen der einzelnen Teleskope überlagert werden, wie Eckart erklärt: „Das Interferometer ist mit fahrbaren Spiegeln ausgestattet, die die unterschiedlichen Strecken des Lichts so ausgleichen, das es schließlich an einem gemeinsamen Ort zur selben Zeit eintrifft. Dort stehen dann die Strahlvereinigungsspektrometer, also die Kameras, die die Daten aufzeichnen.“ Aus dem Interferenzmuster und der geschickten Kombination der vier Signale können die Astronomen dann mehr Hinweise auf den beobachteten Himmelskörper gewinnen als aus einem einzelnen Signal.
Gegenüber Interferometern vorheriger Generationen gibt es vor allem zwei große Verbesserungen mit dem neuen Instrument, wie Eckart betont: „Wir können GRAVITY sehr gut kalibrieren, was bedeutet, das wir längere Beobachtungszeiträume erreichen können und damit empfindlicher für schwächere Lichtquellen sind.“ Dafür sorgt unter anderem eine ausgeklügelte Metrologie, die über genaue Messungen etwa der Positionen der Teleskope viele winzige Störquellen ausgleicht. Zum Beispiel ist der Berg, auf dem das VLT steht, nicht komplett statisch. „Daher bewegen sich die Teleskope und wackeln sozusagen ein wenig hin und her. Auch die Erdatmosphäre selbst ist turbulent. Diese Faktoren müssen permanent korrigiert und justiert werden“, so Eckart.
Zwei Objekte beobachten
Die zweite Verbesserung: Mithilfe von GRAVITY können Astronomen zwei Objekte gleichzeitig beobachten. Das hellere der beiden Objekte ist ein sogenanntes Standardobjekt, dessen Eigenschaften gut bekannt sind und das als Referenz dient. „An dem hellen Objekt können wir die Interferometriegeometrie ausmessen und so das System stabilisieren“, erklärt Eckart. „Der zweite Lichtstrahl kommt dann von dem wissenschaftlich interessanten Objekt, das direkt daneben liegt und dessen Licht auch viel schwächer sein darf.“
Ganz oben auf der Liste der wissenschaftlich interessanten Objekte steht das Zentrum unserer Galaxis. Dort befindet sich ein supermassereiches Schwarzes Loch mit einer extrem starken Anziehungskraft. Indem die Wissenschaftler die Bewegungen der benachbarten Objekte präzise vermessen, erhoffen sie sich eine genaue Überprüfung von Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie. Darüber hinaus wollen die Astronomen mit dem neuen Instrument auch die Kerne anderer Galaxien und das Innere von Kugelsternhaufen erforschen. Nicht zuletzt soll GRAVITY aber auch die Bewegungen von Doppelsternen, Staubscheiben um junge Sterne sowie Sternoberflächen unter die Lupe nehmen.
Ganz so weit ist es allerdings noch nicht: Nach einer etwa zehnjährigen Planungs- und Bauphase wurde GRAVITY Mitte 2015 am Very Large Telescope installiert. Innerhalb des Verbundprojekts war die Gruppe um Eckart vor allem mit der Konstruktion der beiden strahlvereinigenden Spektrometer betraut. Auch andere Gruppen aus Deutschland sind an dem Instrument beteiligt. Das Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg etwa liefert die adaptive Optik, die nötig ist, um Störungen durch die Erdatmosphäre auszugleichen. Am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching sind dagegen Schlüsselkomponenten für die Metrologie und die Geräteinfrastruktur sowie der Kryostat – der die Messgeräte kühlt – entstanden.
Mit den kleineren Hilfsteleskopen, die einen Spiegeldurchmesser von je 1,8 Metern aufweisen, haben die Wissenschaftler GRAVITY bereits erfolgreich getestet. Im Lauf des Jahres soll das System dann mit den Hauptteleskopen voll in Betrieb gehen.
Welt der Physik CC by-sa
Quelle: https://www.weltderphysik.de/thema/bmbf/astro-und-astroteilchenphysik/hightech-fuer-das-very-large-telescope/