Nanodrähte für Solarzellen
Franziska Konitzer
Solarenergie hat das Potenzial, den Strombedarf der Welt sauber und erneuerbar zu decken. Doch Solarzellen sind noch verhältnismäßig teuer in der Herstellung und setzen in der Regel nur 20 bis 30 Prozent der eingestrahlten Sonnenenergie in Strom um. Ein Lösungsansatz: Nanodrähte, die mithilfe eines speziellen Herstellungsverfahrens vertikal auf einer geeigneten Unterlage wachsen. Bei den Drähten handelt es sich um winzige langgestreckte Halbleiterkristalle, etwa zehntausendmal dünner als ein menschliches Haar.
Für die Weiterentwicklung dieser Nanodraht-Solarzellen brauchen die Forscher Charakterisierungsmethoden, die sich für den Maßstab eines einzelnen Nanodrahts eignen. Viele der herkömmlichen Werkzeuge werden dieser Anforderung nicht gerecht. Im Rahmen dieses Projekts wird ein neues Abbildungsverfahren mit Röntgenlicht an den Synchrotronquellen PETRA III und MAX IV entwickelt, das die erforderliche Auflösung erreicht. Die entwickelten Methoden sind nicht nur für Solarzellen im Nanoformat geeignet, sondern auch für viele weitere Arten von Nanomaterialien.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert im Röntgen-Ångström-Cluster Forschergruppen an deutschen Universitäten und Forschungseinrichtungen, die sich mit Kollegen aus Schweden zu Verbundprojekten zusammengefunden haben. Dieses Verbundprojekt wird im Zeitraum von Januar 2016 bis Januar 2020 mit rund 434 000 Euro gefördert.
Fördersumme: 434 297,70 €
Förderzeitraum: 01.01.2016 bis 31.12.2019
Förderkennzeichen: 05K16MGA
Beteiligte Institutionen: Universität Göttingen
Projektseite: Röntgen-Ångström-Cluster
Ein vielversprechender Ansatz für eine neue Klasse von Solarzellen basiert auf winzigen Drähten. Im Rahmen des deutsch-schwedischen Röntgen-Ångström-Clusters untersuchen Wissenschaftler, wie sich der Wirkungsgrad dieser Solarzellen im Nanoformat weiter steigern lässt.
Nanodrähte sind rund tausendmal oder gar zehntausendmal dünner als ein menschliches Haar und versprechen ganz neue physikalische Eigenschaften im Vergleich zu anderen Festkörpern. Forscher stellen Nanodrähte heutzutage aus den unterschiedlichsten Materialien her, unter anderem aus Halbleitermaterialien. Bereits vor einiger Zeit konnten Physiker um Magnus Borgström von der schwedischen Universität Lund zeigen, dass sich solche Nanodrähte für Solarzellen eignen: Dabei stehen die winzigen Drähte – mit einem Durchmesser von wenigen Hundert Nanometern und einer Länge von rund einem Mikrometer – wie kleine Säulen auf einer Siliziumunterlage.
Im Inneren der Nanodrähte kann einfallendes Sonnenlicht in elektrische Energie umgewandelt werden. Derzeit erreichen diese Solarzellen im Nanoformat bereits einen Wirkungsgrad von bis zu 15 Prozent. Zum Vergleich: Kommerziell erhältliche Photovoltaikanlagen liegen derzeit bei rund 20 Prozent. Laut Tim Salditt von der Universität Göttingen bieten die Solarzellen aus Nanodrähten etliche Vorteile: „Zumindest teilweise lassen sich hier Probleme durch Defekte umgehen“, so der Physiker. Denn in gewöhnlichen Halbleitermaterialien ist die Kristallstruktur oft nicht perfekt – es gibt Fehlstellen, sogenannte Defekte, die den Wirkungsgrad senken können.
Darüber hinaus wachsen Nanodrähte gewissermaßen von selbst. Durch Aufdampfen des gewünschten Materials auf ein geeignetes Substrat entstehen im Labor relativ unkompliziert ganze Nanodrahtwälder. „Es handelt es sich um ein selbstorganisiertes Kristallwachstumsphänomen“, erläutert Salditt. Ein weiterer Vorzug der Nanodrähte: Das Licht kann nicht nur von oben auf die Solarzelle einfallen, sondern auch von den Seiten. „Man bekommt also mit viel weniger Material die gleiche Effizienz wie bei den derzeit üblichen Solarzellen“, erklärt Salditt.
Die Forschergruppe um Tim Salditt arbeitet mit den Kollegen aus Schweden zusammen, um diesen vielversprechenden Ansatz weiter zu verfolgen. Das Bundesforschungsministerium fördert das gemeinsame Projekt im Rahmen des Röntgen-Ångström-Clusters. „In den vergangenen zehn Jahren hat es einen enormen Fortschritt gegeben, in welcher Perfektion man die Nanodrähte herstellen kann. Allerdings sind ihre funktionellen Eigenschaften noch nicht annähernd so gut bekannt“, sagt Salditt. Wie genau die Struktur eines Nanodrahts seine Funktion beeinflusst und wie er sich verhält, während er Licht in Strom umwandelt, wollen die Physiker nun in Experimenten herausfinden.
Salditt und sein Team nutzen dafür die extrem intensiven und gebündelten Röntgenstrahlen von PETRA III am Forschungszentrum DESY in Hamburg. Das Röntgenlicht dringt tief in die Nanodrähte ein, wird an den Atomen des Materials in einer charakteristischen Weise gestreut und schließlich aufgezeichnet. Aus den entstehenden Beugungsmustern können die Physiker auf die räumliche Struktur des Kristalls zurückschließen – und erreichen dabei Auflösungen von lediglich zehn Nanometern. „Durch unsere Art der Fokussierung und die Verwendung von neuartigen Röntgenlinsen können wir lokal an jeder Stelle des Nanodrahtes die Abstände zwischen den einzelnen Kristallebenen messen“, erklärt Markus Osterhoff aus der Forschergruppe um Salditt. „Das ist wichtig, da sich die Nanodrähte auch dehnen und stauchen während sie in Betrieb sind und das ihre Funktionsweise beeinflusst.“ Darüber hinaus können die Nanodrähte aus unterschiedlichen Kern- und Mantelmaterialien bestehen. Indem sie die innere Struktur überprüfen, können die Wissenschaftler herausfinden, ob der Herstellungsprozess erfolgreich war.
Für diese Experimente braucht es allerdings absolute Ruhe. „Bei einer Größenordnung von zehn bis zwanzig Nanometern wackelt eigentlich alles“, so Osterhoff. „Selbst der durch Schritte ausgelöste Schall oder das normale Arbeiten in der Experimentierhalle können unsere Experimente stören.“ Somit wollen die Forscher im Rahmen des Projekts unter anderem auch für eine verbesserte Vibrationsdämpfung sorgen, um die Nanodrähte scharf im Blick zu behalten. Die von ihnen entwickelten Methoden der Fokussierung durch Kombination von Röntgenspiegeln und speziellen Röntgenlinsen eignen sich künftig dann nicht nur für Nanodrähte, sondern auch für andere winzige Strukturen.
Das Forscherteam setzt zudem Fluoreszenzverfahren ein, um die Eigenschaften der Nanodrähte zu erforschen. Wird ein Nanodraht mit Röntgenlicht bestrahlt, erhalten die Elektronen in seinem Inneren zusätzliche Energie. Nach kurzer Zeit kehren die Teilchen allerdings wieder in ihren ursprünglichen Energiezustand zurück und senden dabei elektromagnetische Strahlung aus. Diese werten die Forscher aus und erhalten dadurch unter anderem wertvolle Informationen über die chemische Zusammensetzung der Nanodrähte. Darüber hinaus werden Strukturänderungen der Nanodrähte durch das Anlegen von elektrischer Spannung oder durch Stromfluss im Draht während der Röntgenmessung beobachtet.
Außerdem wollen die Wissenschaftler neue Methoden entwickeln und die zeitliche Auflösung erhöhen, um Nanodrähte gewissermaßen bei der Arbeit zu beobachten. Sie möchten also keine statischen Aufnahmen erstellen, sondern eine Art Film. „Wir wollen unseren Messaufbau an PETRA III so verbessern, dass wir zusammen mit unseren schwedischen Kollegen herausfinden können, was passiert, wenn ein Lichtpuls auf einen Nanodraht fällt“, erklären Salditt und Osterhoff. „Dann wird der Nanodraht angeregt, bevor er wieder ins Gleichgewicht zurückkehrt – und das möchten wir beobachten.“
Die Ergebnisse dieser vielfältigen Analysen können die Forscher um Borgström in Schweden anschließend verwenden, um die Nanodrähte weiterzuentwickeln und zu verbessern. So sollen die Drähte künftig etwa einen größeren Anteil des Lichtspektrums absorbieren, was den Wirkungsgrad nochmals steigern würde. Die ersten Experimente an PETRA III mit der verbesserten Probenumgebung laufen bereits. Insgesamt wollen die Wissenschaftler sechs bis sieben Experimente über die Laufzeit des Projekts an den Nanodrähten durchführen.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/thema/bmbf/erforschung-kondensierter-materie/nanodraehte-fuer-solarzellen/