„Ein völlig überraschendes Leuchtverhalten“
Dirk Eidemüller
Winzige Nanodrähte gelten als vielversprechende Kandidaten für die Elektronik der Zukunft. Denn mit ihnen lässt sich elektrischer Strom in Licht umwandeln und umgekehrt. Damit wäre auch die Kopplung an optische Bauteile denkbar, die sich etwa für Quantenkommunikation nutzen ließen. Allerdings ist das Herstellen solcher Nanodrähte sehr aufwendig und viele Fragen zu ihren Eigenschaften sind noch ungeklärt. Im Interview mit Welt der Physik erzählt Carsten Ronning von der Friedrich-Schiller-Universität Jena, was er und sein Team nun an der Synchrotronquelle ESRF in Grenoble herausgefunden haben.
Welche besonderen Eigenschaften haben Nanodrähte?
Carsten Ronning: Wie der Name schon sagt, sind die Drähte extrem dünn. Typischerweise nutzt man Nanodrähte mit einem Durchmesser von 50 bis 500 Nanometern, wobei ein Nanometer ein Milliardstel Meter ist. Solche Nanodrähte sind also tausendfach dünner als ein menschliches Haar. Gleichzeitig sind sie etwa so lang, wie ein Haar dick ist. Es handelt sich also um wirklich winzige Drähte, die man nur unter speziellen Mikroskopen beobachten kann. Sie weisen aber besondere Eigenschaften auf: Da sie ähnliche Dimensionen haben wie die Wellenlänge von Licht, können sie besonders gut mit Lichtwellen interagieren. Das ist technologisch sehr interessant, denn damit kann man etwa winzige Laser bauen oder auf einem sogenannten optoelektronischen Chip elektrische Signale und Lichtsignale gleichzeitig nutzen. Das könnte zukünftig zu stromsparenden und sehr schnellen Chips führen.
Welche Art von Nanodrähten haben Sie untersucht?
Für unsere neuen Versuche, die Doktorandinnen und Doktoranden an meinem Institut durchgeführt haben, haben wir Nanodrähte aus Zinkoxid genutzt. Zinkoxid ist ein Halbleiter, also ein Material, das Strom nicht so einfach leitet wie Metall, das aber dennoch kein Isolator ist. Halbleiter werden für viele Zwecke in der Elektronik und in optischen Systemen genutzt. So basieren zum Beispiel auch die handelsüblichen LEDs oder Solarzellen auf Halbleitertechnik. Um die elektronischen Eigenschaften von Halbleitern maßzuschneidern, fügt man üblicherweise Fremdatome in ihr Kristallgitter hinzu.
Wie haben Sie das bewerkstelligt?
Für solche Zwecke haben wir ein hervorragendes Instrument, einen sogenannten Ionenbeschleuniger. Mit unserem Gerät können wir Atome aus dem gesamten Periodensystem beschleunigen und in ein beliebiges anderes Material hineinschießen – auch in die Nanodrähte, die wir dafür vorher auf einem Substrat haben wachsen lassen. In unserem Fall haben wir Kobaltatome in die Zinkoxid-Nanodrähte implantiert. Kobalt haben wir deshalb genommen, weil es als Leuchtzentrum in diesem Halbleiter dienen kann und damit besonders für Quantentechnologien interessant sein könnte. Denn wenn man die Kobaltatome zum Beispiel mit Röntgenstrahlung anregt, zeigen sie Lumineszenzverhalten und beginnen, im sichtbaren Licht zu leuchten.
Wie haben Sie das Leuchtverhalten untersucht?
Für unsere Zwecke reichen herkömmliche Röntgenquellen zur Anregung der Leuchtzentren nicht aus. Wir betreiben hier Grundlagenforschung und versuchen, überhaupt erst einmal das Zusammenspiel der implantierten Atome mit den Nanodrähten und mit externen Energiequellen wie Röntgenstrahlung zu verstehen. Außerdem verteilen sich die Kobaltatome nicht gleichmäßig in den Nanodrähten, sondern bilden unterschiedliche dichte Gruppierungen. Deshalb brauchten wir einen extrem scharfen und gleichzeitig intensiven Röntgenstrahl, mit dem wir unsere Nanodrähte schrittweise abrastern konnten. Die derzeit beste Röntgenquelle auf der Welt ist das Synchrotronquelle ESRF in Grenoble. Diese Maschine liefert einen extrem scharfen und brillanten Röntgenstrahl, mit dem sich unser Material sehr gut analysieren ließ.
Und was haben Sie herausgefunden?
Wie es in der Grundlagenforschung manchmal so ist, haben wir eine ziemliche Überraschung erlebt. Denn die Röntgenpulse am ESRF sind nicht nur sehr brillant, sondern auch sehr kurz, sodass die Zeitauflösung sehr hoch war. Damit haben wir für die Leuchtzentren aus Kobalt nun nicht nur eine, sondern zwei unterschiedliche Abklingzeiten gemessen – eine längere von acht Nanosekunden und eine kurze von nur einer Nanosekunde. Eine Nanosekunde ist eine Milliardstel Sekunde – also ziemlich kurz. Die längere Abklingzeit von acht Nanosekunden war bereits bekannt. Die kurze von nur einer Nanosekunde ist aber ein völlig überraschendes Lumineszenzverhalten.
Hat dieses überraschende Ergebnis eine besondere Bedeutung?
Die Messung war in dieser Form nicht theoretisch vorhergesagt. Unsere Vermutung ist es, dass die kurze Abklingzeit dadurch zustande kommt, dass die Kobaltatome im Material direkt angeregt werden. Normalerweise wird das Gesamtmaterial angeregt, und erst die Wechselwirkungen zwischen dem Halbleiter und dem Leuchtzentrum führen zum Leuchten. Anscheinend lassen sich die Leuchtzentren aber auch direkt anregen.
Lässt sich dieses neue Wissen bereits für nutzen?
Ob und wie sich das technologisch verwerten lässt, können wir derzeit noch überhaupt nicht sagen. Solche Versuche sind reine Grundlagenforschung. Unsere Arbeit hatte ursprünglich das Ziel, die komplexe Messapparatur überhaupt erst einmal zu entwickeln, aufzubauen und mit diesem Material zu testen. Deswegen waren wir natürlich sehr positiv überrascht, dass wir dem Material direkt neue Geheimnisse entlocken konnten. Aber wir freuen uns, dass unser Messaufbau so gut funktioniert, so dass sich damit ab jetzt auch zahlreiche andere Materialien untersuchen lassen.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Projekt „Räumlich-zeitliche Dynamik von röntgenstrahlinduzierter optischer Lumineszenz in funktionellen Nanomaterialien“ im Zeitraum von Juli 2019 bis Juni 2024 mit rund 680 000 Euro.
Fördersumme: 679.829,00 €
Förderzeitraum: 01.07.2019 bis 30.06.2024
Förderkennzeichen: 05K19SJ2
Beteiligte Institutionen: Universität Jena
Quelle: https://www.weltderphysik.de/thema/bmbf/erforschung-kondensierter-materie/nanotechnologie-ein-voellig-ueberraschendes-leuchtverhalten/