Erforschung der superschweren Elemente

Lisa Leander

Eine große Trommel mit der Aufschrift „SHIPTRAP“ ist in ein Gerüst mit zahlreichen Rohren und Kabeln eingespannt. Ein Mann steht davor und überprüft einzelne Kontakte des Aufbaus mit einem Prüfgerät.

Mit Teilchenbeschleunigern lassen sich superschwere Atomkerne erzeugen, die auf der Erde nicht natürlich vorkommen. Die Untersuchung dieser Kerne verrät Physikern, wie Elemente schwerer als Eisen durch die Explosion oder Verschmelzung massereicher Sterne entstehen konnten. Die Forschungskollaboration NuSTAR will diesen Fragen mit der neuen Beschleunigeranlage FAIR weiter auf den Grund gehen.

Als sich Protonen und Neutronen kurz nach dem Urknall zu Atomkernen zusammenlagerten, bildeten sich nur die vier leichtesten Elemente – Wasserstoff, Helium, Lithium und Beryllium. Schwerere Elemente entstanden erst Hunderte Millionen Jahre später gemeinsam mit den ersten Sternen, wissen Astrophysiker heute. In deren Inneren finden unter großer Hitze und hohem Druck Kernfusionen statt, bei denen Atomkerne verschiedener Elemente verschmelzen. Allerdings brechen die Fusionsreaktionen spätestens nach der Bildung von Eisen ab.

Luftbild einer großen gerodeten Fläche in einem Waldstück, links sind Gebäude des GSI Helmholtzzentrums zu sehen. Im hinteren Teil ist eine ringförmige Schneisesichtbar, wo später ein Beschleunigerring entstehen soll.

Vorbereitung für FAIR

Schwerere Atomkerne entstehen durch einen anderen Vorgang: „Die Synthese der schweren Elemente in der Natur läuft im sogenannten r-Prozess – für Rapid Neutron Capture Process – ab, von dem man vermutet, dass er in Supernovae oder bei der Verschmelzung zweier Neutronensterne passiert“, erläutert Christoph Düllmann vom Institut für Kernchemie der Universität Mainz, der die Forschungsgruppe zur Chemie von superschweren Elementen am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt leitet. Während des r-Prozesses werden Kerne produziert, die besonders reich an Neutronen sind. Wie die Reaktion weiterläuft, hängt davon ab, mit welcher Wahrscheinlichkeit diese Kerne im nächsten Schritt ein weiteres Neutron einfangen – oder ob zunächst ein Betazerfall stattfindet, durch den sich eines der Neutronen im Kern zu einem Proton umwandelt.

„Deshalb ist es interessant, die Kernstabilität und den Neutroneneinfangquerschnitt neutronenreicher Nuklide zu messen“, so Düllmann. Die Stabilität des Kerns können die Wissenschaftler indirekt ermitteln, indem sie seine Masse exakt bestimmen. Denn vergleicht man die Masse seiner einzelnen Bausteine mit der Gesamtmasse des Kerns, gibt die Differenz die Stärke der Bindungsenergie zwischen Protonen und Neutronen an. „Wenn man die Masse kennt, ist somit klar, wie stark ein Kern gebunden ist“, bestätigt der Wissenschaftler.

Präzisere Messungen der Masse

Neben der Masse sind auch Lebensdauer und Reaktionsraten der Kerne interessant, wenn man die astrophysikalischen Vorgänge verstehen will. Diese Eigenschaften erforschen Physiker in der Forschungskollaboration NuSTAR, die Experimente an der zukünftigen Beschleunigeranlage FAIR in Darmstadt durchführen wird. Die Anlage soll in den kommenden zehn Jahren fertiggestellt werden und Antiprotonen- und Ionenstrahlen in bisher unerreichter Intensität und Qualität liefern. Mit ihnen können Mitglieder von NuSTAR sehr seltene neutronenreiche Kerne herstellen, die sie für ihre Untersuchungen benötigen.

Blick von oben auf einen Experimentaufbau, der aus gelben und blauen rechteckigen Blöcken besteht, die hintereinander angeordnet sind.

SHIP-Separator

Derzeit erproben und verbessern die Forscher ihre Methoden an den bestehenden Beschleunigern und Anlagen am Forschungszentrum GSI. Ein Teil der Vorbereitungen für die zukünftigen Experimente wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Verbundprojekt „NuSTAR R&D“ gefördert. An diesem Projekt sind neben Christoph Düllmann und seinen Kollegen aus Mainz weitere Gruppen aus sechs deutschen Universitäten beteiligt. Die Schwerpunkte von „NuSTAR R&D“ liegen darauf, neben den Grundeigenschaften der Kerne auch ihre angeregten Zustände und Reaktionen zu vermessen.

In ihrem Teilprojekt bestimmen die Forscher um Düllmann momentan die Kernmassen verschiedener Elemente; die Experimente dazu führen sie am Forschungszentrum GSI durch. „Hauptgeräte sind der SHIP-Separator, der die gewünschten Nuklide isoliert, und das an SHIP angekoppelte Penningfallen-Massenspektrometer SHIPTRAP, in dem die hochpräzisen Massenmessungen durchgeführt werden“, erklärt Düllmann. Penningfallen erzeugen elektromagnetische Felder, in denen die Atomkerne gespeichert werden und zu schwingen beginnen. Aus der Frequenz der Schwingung leiten die Forscher dann die Kernmasse und letztlich die Bindungsenergie ab.

Magische Zahlen

Für ihre Experimente benutzten Düllmann und seine Kollegen Kerne der schweren Elemente Nobelium und Lawrencium mit einer ganz bestimmten Anzahl von Neutronen. Die Wissenschaftler gehen nämlich davon aus, dass es sowohl bei Protonen als auch bei Neutronen „magische Zahlen“ gibt, bei denen die Stabilität des Kerns erhöht ist. Für eine der magischen Neutronenzahlen, die in den ausgewählten Kernen von Nobelium und Lawrencium vorhanden war, konnten sie die resultierende Bindungsenergie nun genau bestimmen. Die Ergebnisse dienen unter anderem als Input für theoretische Modelle, die die Schaleneffekte von schwereren Kernen vorhersagen.

In Zukunft will das Team um Düllmann die Effizienz und Präzision der Penningfallen-Massenspektrometrie noch weiter verbessern. Außerdem arbeiten die Forscher an Komponenten für weitere Experimente, um unter anderem die chemischen Eigenschaften von superschweren Elementen zu untersuchen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/thema/bmbf/physik-der-kleinsten-teilchen/erforschung-der-superschweren-elemente/