Neue Physik mit Belle II

Franziska Konitzer

Alternativtext: Das Foto zeigt den Detektor Belle II, an dem noch gebaut wird.

Am Forschungszentrum KEK im japanischen Tsukuba bereitet ein internationales Forscherteam derzeit das Belle-II-Experiment vor: Wenn dort hochenergetische Elektronen und Positronen aufeinandertreffen, entstehen sogenannte B-Mesonen, die kurz darauf wieder zerfallen. Physiker wollen in den Zerfällen dieser Teilchen nach Hinweisen auf noch unbekannte Phänomene jenseits des Standardmodells der Teilchenphysik suchen und brauchen dafür leistungsfähige Detektoren. Gefördert vom BMBF steuern Forscher einen Pixeldetektor zu Belle II bei, der die Spuren geladener Teilchen nahe am Kollisionspunkt hochpräzise vermessen soll.

Im Jahr 2018 soll der Teilchenbeschleuniger SuperKEKB als eine sogenannte Super-B-Fabrik mit dem wissenschaftlichen Betrieb beginnen: In zwei Ringen werden über drei Kilometer zunächst Elektronen und Positronen auf hohe Energien beschleunigt, bevor man sie gezielt miteinander zur Kollision bringt. Die Kollisionsenergie ist dabei so sorgfältig gewählt, dass vor allem eine Art von Teilchen in großer Anzahl entsteht, nämlich B-Mesonen – daher der Name.

Als Mesonen bezeichnen Physiker eine Gruppe von Teilchen, die sich aus jeweils zwei elementaren Bausteinen der Materie zusammensetzen – einem Quark und einem Antiquark. Im Fall des B-Mesons handelt es sich bei dem Antiteilchen um ein sogenanntes Bottom-Quark. Mesonen sind instabil und zerfallen innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde in leichtere Teilchen. Anhand der Flugbahnen und Energien dieser Teilchen, können Forscher den Zerfallsprozess rekonstruieren und so tiefe Einblicke in die Natur der Materie gewinnen.

In einem großen Raum steht der Detektor Belle II.

Belle II am Forschungszentrum KEK in Japan

„In einer B-Fabrik wird ein B-Meson immer zusammen mit seinem Antiteilchen, dem Anti-B-Meson, erzeugt“, sagt Jochen Dingfelder von der Universität Bonn. Ein wichtiges Ziel einer B-Fabrik ist es, Unterschiede in den Eigenschaften der Zerfälle von B-Mesonen und ihren Antiteilchen zu untersuchen, welche eine grundlegende Voraussetzung dafür sind, dass unser Universum aus Materie besteht und die Antimaterie weitgehend verschwunden ist.

Am Teilchenbeschleuniger SuperKEKB wollen sich die Wissenschaftler darüber hinaus hauptsächlich auf die Suche nach Phänomenen jenseits des Standardmodells der Teilchenphysik begeben. Konkret heißt das, dass sie seltene Zerfallsprozesse aufspüren wollen, die das Standardmodell nicht erklären kann. Beobachtet man solche Abweichungen, könnte dies zum Beispiel ein Indiz für die Existenz noch unbekannter Elementarteilchen sein. Auch die Suche nach exotischen Teilchen, die aus vier oder fünf Quarks aufgebaut sind, steht auf dem Programm der Forscher. Hinweise auf solche ungewöhnlichen Teilchenzustände wurden in den letzten Jahren bereits beobachtet. Lange waren nur Teilchen bekannt, die aus zwei oder drei Quarks bestehen.

Für die geplanten Messungen benötigen die Wissenschaftler neben dem Teilchenbeschleuniger vor allem einen leistungsfähigen Detektor, der die Spuren und die Energien der Zerfallsprodukte zuverlässig erfasst. Belle II wird sein Name sein – ein Großdetektor, den ein internationales Forscherteam entwickelt, zu dem auch Jochen Dingfelder gehört. „Im Vergleich zum Vorgängerexperiment Belle, das von 1999 bis 2010 am Forschungszentrum KEK lief, muss Belle II einen höheren Strahlungsuntergrund verkraften und eine viel höhere Teilchenrate verarbeiten können“, beschreibt Dingfelder die Anforderungen an den Detektor. „Wir müssen sehr viel schneller messen als bei Belle, weil vierzigmal mehr Daten pro Sekunde kommen, gleichzeitig aber sehr präzise bleiben.“ Der Teilchenbeschleuniger SuperKEKB erzeugt vierzigmal mehr B-Mesonen als sein Vorgänger KEKB: tausend B-Mesonen-Paare pro Sekunde.

Im Rahmen der Verbundforschung beteiligen sich deutsche Forschergruppen derzeit vor allem an Belle II, indem sie einen Pixeldetektor entwickeln, der die innerste Schicht des Belle-II-Detektors darstellt. „Mit diesem Detektor wollen wir nahe am Kollisionspunkt die Spuren von geladenen Teilchen rekonstruieren, also beispielsweise von Elektronen, Myonen oder Pionen, die in den Zerfällen der B-Mesonen entstehen“, erläutert Dingfelder. „Wir schauen quasi wie mit einer Lupe möglichst nahe an den Ort der Teilchenkollision heran und können somit die Zerfallsorte der B-Mesonen rekonstruieren. Der Pixeldetektor muss in der Lage sein, rund 50000 solcher Bilder pro Sekunde aufnehmen zu können.“

Eine behandschuhte Hand hält einen Riegel mit Siliziumpixelsensoren.

Siliziumpixelsensoren

Für den Pixeldetektor verwenden die Wissenschaftler erstmals die sogenannte DEPFET-Technologie. „Der Pixeldetektor selbst ist etwa so groß wie eine Getränkedose“, beschreibt Dingfelder. „Er besteht aus acht Millionen Siliziumpixelsensoren, den sogenannten DEPFET-Sensoren. Sie sind jeweils nur rund 50 mal 75 Mikrometer, also millionstel Meter, groß, wodurch wir eine sehr gute Ortsauflösung erreichen.“ Die DEPFET-Technologie entstand am Halbleiterlabor der Max-Planck-Gesellschaft in München. Sie ermöglicht, sehr dünne Sensoren mit Dicken von lediglich fünfzig Mikrometern herzustellen, die sich für hochpräzise Messungen von Teilchen mit relativ niedrigen Impulsen, wie sie bei einer B-Fabrik auftreten, besonders gut eignen.

Durchquert ein geladenes Teilchen den Detektor, erzeugt es innerhalb der Siliziumpixel durch Ionisation freie Ladungen. Diese freien Ladungen können für jede einzelne der acht Millionen Zellen als elektronisches Signal ausgelesen werden. Die daraus resultierende hohe räumliche Auflösung soll es den Forschern ermöglichen, die Spuren der geladenen Teilchen nahe am Kollisionspunkt zu vermessen und die Zerfallsorte der B-Mesonen zu identifizieren.

Es ist das erste Mal, das die DEPFET-Technologie in einem Detektor in der Teilchenphysik zum Einsatz kommt. Die Wissenschaftler innerhalb des Verbundprojekts haben die Technologie an zahlreichen Prototypen getestet und kürzlich die finale Version der Detektormodule produziert, die sie über die nächsten Monate hinweg prüfen wollen. Darüber hinaus entwickeln die deutschen Gruppen auch Software für Belle II, beispielsweise indem sie Algorithmen beisteuern, um die Spuren der im Zerfall produzierten Teilchen effizient und präzise zu rekonstruieren. 2018 soll der fertige Pixeldetektor in Belle II eingebaut werden, bevor der SuperKEKB dann als Super-B-Fabrik mit der Datennahme und seinem wissenschaftlichen Programm startet.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/thema/bmbf/physik-der-kleinsten-teilchen/neue-physik-mit-belle-ii/