Was sind Abendstern und Morgenstern?
Immer wenn der Planet Venus als strahlend heller „Morgenstern“ in der Dämmerung hoch am südöstlichen Himmel steht, häufen sich bei den Sternwarten die Ufo-Meldungen. Denn der Anblick ist tatsächlich spektakulär: Die Venus leuchtet heller als jeder andere Stern oder Planet.
Die Venus ist – von innen gezählt – der zweite Planet unseres Sonnensystems. Sie kreist also innerhalb der Erdbahn um die Sonne. Deshalb kann sie von der Erde aus gesehen niemals der Sonne gegenüberstehen, sondern sich nur bis zu einem Winkel von maximal 47 Grad von der Sonne entfernen. Da die Venus sich auf ihrer Bahn schneller bewegt als die Erde, überholt sie unseren Planeten. Bei der Annäherung an die Erde steht sie östlich der Sonne und erscheint als „Abendstern“ am Himmel. Hat sie die Erde überholt und entfernt sich wieder von ihr, steht die Venus westlich der Sonne und erscheint als „Morgenstern“ am Himmel.
Der Überlieferung nach war es der griechische Mathematiker und Philosoph Pythagoras von Samos (570 bis 500 v. Chr.), der als erster erkannte, dass es sich bei Abend- und Morgenstern um ein und denselben Himmelskörper handelt. Nach nicht ganz eindeutigen historischen Quellen soll schon Herakleides Pontikos (390 bis 322 v. Chr.), ein Schüler von Platon, daraus den Schluss gezogen haben, dass die Venus die Sonne umkreist.
Als innerer Planet zeigt die Venus bei der Beobachtung mit dem Fernrohr Phasen ganz ähnlich wie der Mond: Sie erscheint also nicht immer voll, sondern oft nur teilweise beleuchtet. Bewegt sie sich als Abendstern auf die Erde zu, wird ihre Sichelgestalt immer schmaler. Als Morgenstern dagegen, nach dem Überholvorgang, nimmt die Venussichel langsam wieder zu. Als Galileo Galileo seine ersten astronomischen Beobachtungen mit dem gerade erfundenen Fernrohr durchführte, erkannte er auch die Phasengestalt der Venus. Der Forscher sah darin eine Bestätigung dafür, dass der Planet um die Sonne kreist und nicht um die Erde. Allerdings ist allein die Sichelgestalt noch kein Beweis für das heliozentrische Weltbild. Dazu ist die Beobachtung des zeitlichen Verlaufs der Venusphasen nötig.
Mit einem Durchmesser von 12 100 Kilometern ist die Venus fast genauso groß wie die Erde. Doch die Bedingungen auf der Oberfläche unseres Nachbarplaneten sind lebensfeindlich: Der Luftdruck der hauptsächlich aus Kohlendioxid bestehenden Atmosphäre beträgt etwas das Einhundertfache des irdischen Werts, die Temperaturen liegen zwischen 400 und 500 Grad Celsius. Vom Weltall aus ist die Oberfläche der Venus nicht zu sehen, denn der Planet ist stets in eine dichte Wolkenhülle eingehüllt. Und diese Wolken reflektieren 76 Prozent des eintreffenden Sonnenlichts – deshalb leuchtet die Venus so hell.
Ihre größte Helligkeit erreicht die Venus, wenn von der Erde aus gesehen 30 Prozent der Planetenscheibe von der Sonne beschienen sind. In den Wochen um diesen „größten Glanz“ ist die Venus so hell, dass sie von geübten Beobachtern sogar am Tageshimmel aufgespürt werden kann. Um die Augen vor Schäden zu bewahren, sollte man dazu stets einen Beobachtungsplatz wählen, der gegen die Sonne abgeschirmt ist.
Venustransits
Da die Bahn der Venus um 3,4 Grad gegen die Erdbahn geneigt ist, zieht der Planet von der Erde aus gesehen zumeist oberhalb oder unterhalb der Sonne vorüber. Tritt das „Überholmanöver“ – fachlich: die untere Konjunktion – jedoch gerade dann ein, wenn sich die Venus nahe der Schnittlinie der beiden Bahnebenen befindet, kann es zu einem Durchgang des Planeten vor der Sonnenscheibe kommen.
Am 6. Juni 2012 fand der letzte solche Venustransit statt. Von ihm war in Mitteleuropa allerdings nur das Ende sichtbar. Erst im Jahr 2117 wird es wieder zu einem solchen Transit kommen. Durchgänge der Venus finden immer abwechselnd im Juni oder im Dezember statt, weil die Erde dann die Bahnebene der Venus schneidet. Historisch sind Beobachtungen von Venustransits von Bedeutung, da sie eine Bestimmung des Abstands der Erde von der Sonne ermöglichen.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/thema/hinter-den-dingen/abendstern-und-morgenstern/