Bierstreich: Wie entsteht die Schaumfontäne?
Helen Bieker
Auf Platz fünf der am meisten konsumierten Getränke 2014 in Deutschland steht das Bier. Doch nicht nur geschmacklich hat der Mix aus Wasser, Malz und Hopfen einiges zu bieten, sondern auch physikalisch gibt es interessante Phänomene zu betrachten. Besonders wichtig ist dabei Kohlensäure, die aus einer chemischen Reaktion von Kohlenstoffdioxid (CO₂) mit Wasser entsteht. Sie ist nicht nur für die beliebte Schaumkrone verantwortlich, sondern auch für das explosionsartige Aufsteigen von Bierschaum, das bei einem Schlag auf eine frisch geöffnete Bierflasche entsteht.
Ein verbreiteter Partystreich geht folgendermaßen: Wenn sich jemand gerade eine Flasche Bier geöffnet hat, haut man mit seiner eigenen Bierflasche auf den Flaschenkopf des Bieres der anderen Person (natürlich nicht so stark, dass die Flasche kaputt geht). Das Bier des anderen fängt plötzlich an zu schäumen und spritzt aus der Flasche. Dieser Effekt verläuft so schnell, dass das Opfer kaum reagieren kann. Doch Vorsicht: Ist das eigene Bier auch gerade erst geöffnet worden, passiert das gleiche – und der Streich geht nach hinten los. Aber was passiert nun eigentlich genau bei dem Schlag auf den Flaschenkopf? Und liegt es wirklich an dem Schlag oder doch eher an einer schnellen Handbewegung?
Kohlensäurehaltige Getränke stehen in abgefüllten Flaschen unter hohem Druck. Öffnet man eine solche Flasche baut sich der Druck in der Flasche schlagartig ab und ungelöstes Kohlendioxid verlässt die Flüssigkeit. Da der Druck sich verringert, löst sich weiteres CO₂ und bildet die kleinen bekannten Gasblasen in der Flüssigkeit. Versetzt man einer frisch geöffneten Bierflasche nun einen Schlag auf die Öffnung, entsteht eine Schwingung des Glases. Diese Schwingung verursacht im Bier eine Druckschwankung, die sich in der Flüssigkeit nach unten hin ausbreitet und mehrfach am Glasboden sowie an der Luft im Flaschenhals reflektiert wird. Durch diese Druckwelle werden die kleinen Kohlendioxidblasen in weniger als einer Millisekunde ständig verformt bis sie in mehrere noch kleinere Kohlendioxidbläschen zerfallen. Diese kleineren Kohlendioxidbläschen bilden eine kleine Menge an Bierschaum, das sich in der Flüssigkeit ausbreitet. Dieser Schaum bildet eine optimale Oberfläche, an die sich weiteres Kohlendioxid absetzen kann bis in der näheren Umgebung kein Kohlendioxid mehr vorhanden ist. Anschließend erfährt der Schaum einen Auftrieb und steigt nach oben, wobei sich weiteres Kohlendioxid anschließt. Dadurch beschleunigt die Schaumwolke nach oben, wodurch das Volumen wiederum schneller anwächst und auch die Geschwindigkeit wieder zunimmt. So kommt es zu einem explosionsartigen Anwachsen des Schaumvolumens. Da sich das Flaschenvolumen aber nicht ausdehnen kann, kommt es schließlich zu der bekannten Schaumfontäne: Der Schaum verlässt die Flasche durch den einzigen Ausgang, den Flaschenhals. Dieses Phänomen funktioniert nicht nur für Bier sondern auch mit Cola und Sekt und sogar Plastikflaschen können genug in Schwingung gebracht werden, um eine Schaumfontäne zu erzeugen.
Ursache: Bewegung der Flasche
Das Aufschäumen und Spritzen von kohlensäurehaltigen Getränken entsteht auch oft nach dem Schütteln von ungeöffneten Flaschen. Durch das Schütteln entsteht ebenfalls eine Druckschwankung in der Flasche. Wobei sich an Stellen mit niedrigerem Druck Kohlensäure vom Wasser löst und CO₂ in Form von Bläschen nach oben steigt. Da die Flasche jedoch ungeöffnet ist, kann es nicht entweichen und der Druck im Inneren der Flasche steigt auf etwa dreieinhalb Bar an. Beim Öffnen der Flasche entweicht das Kohlendioxid und reißt dabei Flüssigkeit mit sich. Die Vermutung eine Bewegung der Flasche könnte mit dem explosionsartigen Schaumaufstieg zu tun haben, liegt also nahe. Jedoch konnte ein Team um Javier Rodriguez-Rodriguez der Universität Carlos III zu Madrid dies als Ursache ausschließen, indem sie eine Bierflasche mit einem Hochenergielaser beschossen. Dadurch entstand nur an einer einzigen Stelle eine Druckschwankung, wo sich Bierschaum bildete und für den weiter oben beschriebenen Effekt der Schaumfontäne durch die Vibration der Flasche sorgte. Da die Flasche in diesem Fall nicht bewegt wurde, konnte die Bewegung als Ursache für die Schaumbildung ausgeschlossen werden.
Kohlendioxid-Ausstoß in der Natur
Auch in der Natur ist ein schlagartiges Aufsteigen von Kohlendioxid bekannt. Zum Beispiel liegt der Nyos-See in Kamerun über einem erloschenen Vulkangestein, das stetig Kohlenstoffdioxid ausstößt. Da Kohlendioxid wasserlöslich ist, reichert es sich im Wasser an. Jedoch setzte der See 1986 schätzungsweise 1,6 Millionen Tonnen von diesem angereicherten Kohlenstoffdioxid frei. Dieses stieg an die Wasseroberfläche. Da CO₂ aber schwerer ist als Luft, sammelte es sich an der See- bzw. Erdoberfläche und strömte in die nahegelegenen Täler. Da Kohlenstoffdioxid geruchsneutral ist, blieb das in die nahegelegenen Dörfer einströmende Kohlenstoffdioxid unbemerkt – 1700 Menschen und viele Tiere erstickten. Bisher blieb die Ursache für die Gasentleerung ungeklärt. Doch das hier beschriebene Phänomen bestätigt die Vermutung, dass der Auslöser für das freisetzen des Kohlendioxids ein Erdbeben gewesen sein könnte.
Wie entstehen die Blasen in kohlensäurehaltigen Getränken?
Die Löslichkeit von Kohlendioxid in Wasser hängt stark vom Druck ab. Je höher der Druck umso besser löst sich das CO2 darin. Doch nur ein geringer Teil des Kohlendioxids wird beim Einfüllen in Getränken auch wirklich zu Kohlensäure. Der größere Anteil befindet sich nur im gelösten Zustand. Das bedeutet, dass das meiste Kohlendioxid nur eine leichte Verbindung mit dem Wasser eingeht und bereits durch kleine Druckveränderungen wieder aus dem Wasser austritt. Dies passiert zum Beispiel beim Öffnen einer Getränkeflasche: Der Druck in der Flasche sinkt, was die Löslichkeit des Kohlendioxids herabsetzt. So trennt sich vermehrt CO2 vom Wasser und bildet kleine Blasen, die durch den Auftrieb nach oben steigen und so die Flasche verlassen.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/thema/hinter-den-dingen/bierstreich/