Wie Fußbälle durch die Luft fliegen – im einfachsten Fall
Wieso sind manche Schüsse selbst für den besten Torwart kaum zu halten? Die Flugbahn des Balles entscheidet dabei mit. Hier betrachten wir die physikalischen Prinzipien, die hinter einem straffen Torschuss oder einer Bananenflanke stehen.
Zunächst soll nur der einfachste Fall behandelt werden, bei dem Einflüsse des Luftwiderstandes, des Windes oder aber eines möglichen Dralls auf die Flugkurve nicht berücksichtigt werden. Alle diese Einflüsse auf die Flugkurve des Balls sind in der Regel recht groß und machen den Ballflug durch die Luft zu einem sehr komplexen physikalischen Vorgang. Wenn aber der Ball keinen Drall hat, der Wind nicht besonders schnell weht, wovon in den heutigen Fußballarenen sowieso auszugehen ist, und die Schussgeschwindigkeit nicht sehr groß ist, dann kann die Flugkurve des Balls einfach beschrieben und diskutiert werden. Diese Bedingungen sind alle recht gut bei einem „Heber“ über den Torwart erfüllt.
Bei der Berechnung der Flugkurve kommt es auf zwei Parameter am Anfang an: Die Abschussgeschwindigkeit v0 und der Abschusswinkel ⍺0. Die Abschussgeschwindigkeit im obigen Beispiel ist mit v0 = 100 km/h recht hoch und damit eher die Geschwindigkeit eines Ab- oder Freistosses und nicht eines „Hebers“. Das macht aber nichts, da das Prinzip erläutert werden soll. Am Ende kommen wir darauf wieder zurück. Als Abschusswinkel wurde bei der Berechnung ⍺0 = 45° gewählt. Auf den Ball wirken während des Fluges durch die Luft die verschiedensten Kräfte ein, von denen wir nun nur die immer senkrecht nach unten zeigende Erdanziehungskraft berücksichtigen wollen. Jeder Gegenstand auf der Erde, also auch ein fliegender Fußball, wird mit der konstanten Erdbeschleunigung von g = 9.81 m/s2 zum Erdmittelpunkt hin beschleunigt und somit angezogen. Interessant ist dabei, dass die Erdbeschleunigung unabhängig von der Masse des Körpers ist, obwohl wir das Gefühl haben, dass schwerere Körper schneller fallen als leichte. Dies liegt aber am Luftwiderstand, der die Erdanziehung hemmt und wird später einmal in einem anderen Blog-Eintrag weiter erklärt werden. Wir vernachlässigen bei unseren Betrachtungen deswegen erst einmal den Luftwiderstand völlig und werden am Ende sehen, dass dies allerdings nicht so einfach gerechtfertigt ist.
Die Wurfparabel
Die Flugkurve in der obigen Abbildung hat eine charakteristische Form. Es ist eine so genannte „Wurfparabel“, die symmetrisch bzgl. ihres höchsten Punktes ist. Der Fußball steigt gleichmäßig auf, bis er den höchsten Punkt erreicht hat, und fällt dann wieder ebenso gleichmäßig zu Boden. Eine solche Kurve kann auch im Experiment erhalten werden.
Deutlich ist die recht symmetrische Form der Kurve zu sehen. Dabei handelt es sich eigentlich um die Überlagerung von zwei Bewegungen: In horizontaler Richtung liegt eine gleichmäßige Bewegung mit konstanter Geschwindigkeit vor, der in senkrechter Richtung ein freier Fall überlagert ist. Mit etwas Schulmathematik ergibt sich dann eine parabelförmige Flugbahn. Dies können besonders Interessierte mit der folgenden Abbildung nochmals nachrechnen, in der alle relevanten Formeln zusammengefasst sind. Für das Gesamtverständnis ist es aber nicht wichtig.
Optimaler Abschusswinkel
Nun stellt sich natürlich sofort eine Frage: Wie groß muss der Abschusswinkel sein, damit bei gleichbleibender Abschussgeschwindigkeit die Schussweite möglichst groß wird? Bevor dies aufgelöst wird, kann man erst einmal nachdenken, um festzustellen, dass es so etwas wie einen „optimalen Abschusswinkel“ wirklich geben muss. Wenn der Abschusswinkel sehr klein ist, im Grenzfall also ⍺0 = 0°, dann wird auch die Schussweite sehr klein sein und im Extremfall auch nur Null Meter betragen, da der Ball gar nicht vom Boden abhebt. Wenn man aber den anderen Extremfall heranzieht und den Ball unter einem sehr großen Winkel und im Grenzfall ⍺0 = 90° abschießt, d.h. man schießt senkrecht nach oben, dann ist die Flugweite des Balls ebenfalls klein und im Extremfall Null Meter, da der Ball zwar hoch aber nicht weit fliegt. Dazwischen muss es also ein Optimum geben, bei dem der Ball einerseits so hoch fliegt, dass er lange genug in der Luft bleibt, aber andererseits auch nicht zu hoch fliegt, damit nicht zu viel Energie des Schusses in die Höhe geht anstelle in die Weite. In der Tat liegt das Optimum genau in der Mitte zwischen ⍺0 = 0° und ⍺0 = 90° also bei einem Abschusswinkel von ⍺0 = 45°. Um diesen Abschusswinkel herum sind die Schussweiten dann symmetrisch verteilt, d.h. die Schussweite für ⍺0 = 30° (45°−15°) ist also gleich der Schussweite für ⍺0 = 60° (45°+15°). Die folgende Grafik macht dies wieder klar:
In der Grafik ist zu erkennen, dass die Schussweiten für ⍺0 = 25° (45°−20°) und für ⍺0 = 65° (45°+20°) gleich groß sind. Alle Kurven wurden für die gleiche Abschussgeschwindigkeit von v0 = 100 km/h berechnet. Während der größere Abschusswinkel zu einer über 30 Meter hohen Flugkurve führt, erreicht der Ball im Fall des flachen Abschusswinkels nicht einmal 8 Meter Flughöhe. Die Flugweite des Fußballs ist aber mit etwa 60 Metern in beiden Fällen gleich groß. Es ist nun leicht zu erkennen, warum das Optimum bei ⍺0 = 45° liegt. Einerseits ist die Flughöhe des Balls dann groß genug, so dass er lange genug in der Luft bleibt, andererseits geht aber nicht zu viel Energie des Schusses in die Höhe. ⍺0 = 45° ist also genau der optimale Wert zwischen „zu flach“ und „zu hoch“. Dies kann man übrigens wieder exakt ausrechnen, wie ich für den geneigten Leser, der über ein wenig Kenntnisse in Schulmathematik verfügt, in der nächsten Grafik zusammengestellt habe.
Ist Ihnen aufgefallen, dass eine Sache aber noch nicht stimmen kann? Wenn alles so wäre, wie wir bisher gesagt haben, dann müßte ein durchschnittlicher Abstoß von Jens Lehmann, den er mit einer Geschwindigkeit von v0 = 100 km/h unter einem Winkel von ⍺0 = 45° losschießt, etwa 80 Meter weit fliegen, wie leicht aus der ersten Graphik abgelesen werden kann. Übrigens kann man die maximale Flugweite mit der einfachen Formel $$x_{\textrm{max}} = \frac{v_0^2}{g} = \frac{(27,8 \textrm{m/s})^2}{(9,81 \textrm{m/s})^2}\approx 79\rm m$$ berechnen (siehe auch die Rechnung in der letzten Grafik). Die Maximale Flughöhe ist dann übrigens einfach $$z_{\textrm{max}} = \frac{v_0^2}{4 \cdot g} =\frac{ x_{\textrm{max}} }{4}. $$ Das Verhältnis von Flugweite zu Flughöhe des Fußballs ist dann also 4 zu 1, was nochmals zeigt, dass die Flugkurve eines Balls recht flach ist (vgl. die erste Grafik). 79 Meter Schußweite entsprächen in etwa der Strecke bis zum gegnerischen Strafraum. Nun geht ein Abstoß aber meistens nicht weiter als bis zum Mittelkreis, also etwa nur 45 Meter weit! Auch sehen die Flugkurven nicht so schön symmetrisch aus wie unsere Wurfparabeln in den Abbildungen vorher, sondern es liegen asymmetrische sog. „ballistische Kurven“ vor. Was ist also falsch? Ganz einfach, der Luftwiderstand spielt bei Flugkurven von Fußbällen eine sehr große Rolle. Da der Luftwiderstand eines Fußballs mit zunehmender Geschwindigkeit stark ansteigt, muß er gerade bei Schüssen wie Abstößen und Freistößen mit berücksichtigt werden. Das wird im nächsten Artikel beschrieben. Mit Luftwiderstand ist übrigens der optimale Schußwinkel für die maximale Flugweite eines Fußballs nicht mehr ⍺0 = 45°. Raten Sie doch einmal: Ist der optimale Schußwinkel größer oder kleiner als 45°, wenn man den Luftwiderstand in den Berechnungen mit berücksichtigt?
Als Fazit können wir festhalten, dass ein Fußball, wie jeder andere Körper übrigens auch, eine symmetrische Wurfparabel durchfliegen würde, wenn nur die Erdanziehung auf ihn einwirkt und man den Luftwiderstand vernachlässigen kann. Dann ergibt sich für den Abschußwinkel ⍺0 = 45° die größte Schussweite. Der Luftwiderstand kann aber nur für relativ langsame Schüsse, wie bei einem „Lupfer“, tatsächlich vernachlässigt werden. Bei den meisten Schüssen sonst in einem Fußballspiel ist das aber nicht der Fall, und der Flug eines Fußballs durch die Luft ist weitaus komplizierter, als bisher beschrieben.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/thema/hinter-den-dingen/flug-ohne-luftwiderstand/