Warum sind beheizte Räume im Winter so trocken?

Sven Titz

Das Foto zeigt den Blick aus einem Fenster in eine verschneite Landschaft.

Thinkstock/Sasin Paraksa

Der Winter ist nicht nur kalt, sondern auch trocken – zumindest im warmen Zimmer. Der Grund: Die kalte Luft, die von draußen hereinkommt, enthält kaum Wasserdampf.

In beheizten Räumen herrscht im Winter oft ein Wüstenklima. Mund und Nase trocknen aus – und es mag nahe liegen, frische Luft hineinzulassen. Die frostige Außenluft kühlt den Raum ab und bringt kurzfristig Abhilfe. Doch sobald man das Fenster schließt und die Temperaturen im Zimmer wieder ansteigen, kehrt auch das Wüstenklima zurück. Selbst wenn draußen Nebel bei 1 Grad Celsius herrscht, die Außenluft also sehr feucht ist, wirkt sie aufgewärmt auf Raumtemperatur äußerst trocken. Der Grund: Kalte Luft, die von draußen hereinkommt, enthält kaum Wasserdampf.

Erwärmt der Heizkörper im Zimmer die frische Luft, ändert sich zwar nicht die Menge des enthaltenen Wasserdampfs. Doch die warme Luft kann prinzipiell mehr Wasser aufnehmen. Das liegt daran, dass mit steigender Temperatur die durchschnittliche Geschwindigkeit der Moleküle im Wasser und in der Luft zunimmt. Dadurch können sich an einer Wasseroberfläche mehr H2O-Moleküle aus dem flüssigen Molekülverband lösen und in die Luft übergehen.

Das Foto zeigt eine Wüste.

Wüstenklima

Das gilt nicht nur für das heiße Wasser in einem Kochtopf, sondern auch für die Oberfläche von winzigen Wassertröpfchen in warmer Luft. Andererseits schließen sich bereits umherschwirrende Wassermoleküle nicht so einfach zu Tröpfchen zusammen, wenn sie schnell unterwegs sind. In warmer Luft können daher mehr freie Wassermoleküle – beziehungsweise Wasserdampf – enthalten sein.

Wie viele Wassermoleküle maximal von der Luft aufgenommen werden können, bevor sie zu Tröpfchen kondensieren, hängt also von der Temperatur ab. Die sogenannte relative Luftfeuchte beschreibt das Verhältnis von tatsächlich enthaltenem Wasserdampf in der Luft zur maximal möglichen Menge. Bei Nebel beträgt die Luftfeuchte beispielsweise hundert Prozent: Die Luft enthält in diesem Fall mehr Wasserdampf, als sie aufnehmen kann – und es bilden sich Wassertröpfchen. Absolute Trockenheit entspricht hingegen einer relativen Luftfeuchte von null Prozent. Die Luft in der Wüste besitzt eine relative Feuchte von zehn bis dreißig Prozent. Im Hochwinter kann man in Innenräumen manchmal sogar Werte unter zehn Prozent messen.

Aus all dem wird klar: Häufiges Lüften hilft nicht gegen trockene Zimmerluft. Im Gegenteil! Denn dadurch würde man immer wieder wasserarme Luft nachführen. Die einzige Lösung besteht darin, die Luft in den beheizten Räumen anzufeuchten – sei es mithilfe von Zimmerpflanzen oder mit technischen Geräten.

Eine extreme Ausprägung des winterlichen Effekts kann man auf Langstreckenflügen beobachten. Die Luft, die ins Kabineninnere der Flugzeuge geleitet wird, ist beinahe wasserfrei. Denn draußen herrschen Temperaturen unter minus 50 Grad Celsius. Darum heißt es auf solchen Flügen stets: Trinken, trinken, trinken!


Relative Luftfeuchte im Detail

Infografik. Steigende Kurve in einem x-y-Koordinatensystem. Auf der x-Achse Temperatur in Grad Celsius. Auf der y-Achse Gramm Wasserdampf pro Kilogramm trockene Luft.

Wasserdampfgehalt in der Luft je nach Temperatur

Wie viele Wassermoleküle sich in der Luft über einer Wasseroberfläche befinden, hängt davon ab, wie viele Moleküle verdampfen und wie viele wieder kondensieren.

Wenn sich an den äußeren Eigenschaften wie Temperatur und Druck nichts ändert, so erreicht das System einen Gleichgewichtszustand: Es verdunsten genauso viele Teilchen wie kondensieren. Mithilfe der sogenannten kinetischen Gastheorie lässt sich berechnen, wie die maximale Wassermenge, die Luft aufnehmen kann, von der Temperatur abhängt.

Anmerkung der Redaktion: Die erste Version dieses Artikels erschien 2006 auf Welt der Physik. Im Dezember 2018 haben wir den Text überarbeitet und aktualisiert.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/thema/hinter-den-dingen/trockene-raeume/