Warum fühlt sich Metall kälter an als Holz?
Ein genauerer Blick auf unser Wärmeempfinden zeigt, dass sich unsere Haut keineswegs als Thermometer eignet. Denn die gefühlte Temperatur hängt von dem Material ab, das wir gerade berühren.
Bei niedrigen Temperaturen erscheint uns ein Metallzaun deutlich kälter als ein Zaun aus Holz. Dabei nehmen die Zäune – unabhängig von ihrem Material – die Umgebungstemperatur an. Auch in vielen anderen Alltagssituationen lässt sich dieses Phänomen beobachten: Das 21 Grad Celsius warme Wasser im Meer wirkt deutlich kühler als Luft mit derselben Temperatur. Und auch ein Holzfußboden fühlt sich bei Raumtemperatur wärmer an als ein Fliesenboden.
Den Unterschied macht also nicht die Temperatur, sondern allein unser Wärmeempfinden. Die Haut ist offenbar kein gutes Thermometer. Doch was macht den Metallzaun für uns kälter und den Holzzaun wärmer, obwohl beide dieselbe Temperatur besitzen? Die Lösung liegt in der physikalischen Definition von „Temperatur“ und „Wärme“, die vom Alltagsverständnis abweicht. Denn dort setzen wir die beiden Begriffe oft gleich.
In der Physik ist die Temperatur ein objektives Maß dafür, wie warm oder kalt etwas ist. Sie wird bestimmt durch die ständige ungeordnete Bewegung der Atome oder Moleküle, aus denen sich ein Festkörper, eine Flüssigkeit oder ein Gas zusammensetzt. Generell gilt: Je höher die Temperatur, desto stärker bewegen sich die Teilchen. In Gasen schwirren die Atome oder Moleküle dabei vollkommen losgelöst voneinander umher, in Flüssigkeiten sind die Materiebausteine zwar noch frei beweglich, berühren sich aber fast permanent – und in festen Körpern sitzt jedes Atom oder Molekül zwar an einem festen Platz, kann aber immer noch ein wenig hin- und herwackeln, schwingen und rotieren.
Die unzähligen Teilchen, die sich beispielsweise in einem Eisenzaun, im Glas voller Wasser oder in der Luft befinden, bewegen sich unterschiedlich schnell – allerdings schwankt ihre Bewegungsenergie um einen bestimmten Mittelwert. Die Temperatur ist ein Maß für diese durchschnittliche Geschwindigkeit der Atome oder Moleküle. Einen Beitrag dazu leistet jedoch nur die ungeordnete, zufällige Bewegung der Teilchen. Würden sämtliche Atome des Eisenzauns geordnet in eine Richtung wandern, dann bewegt sich der ganze Zaun – und das hätte keinen Einfluss auf die Temperatur.
Mit der Zeit und ohne weitere Energiezufuhr von außen stellt sich in jedem System – ob Festkörper, Flüssigkeit oder Gas – ein thermisches Gleichgewicht ein: Die Temperatur beziehungsweise die durchschnittliche Geschwindigkeit der Atome oder Moleküle nimmt überall denselben Wert an. Bringt man aber zwei Systeme mit unterschiedlicher Temperatur in Kontakt, ist das Gleichgewicht plötzlich gestört. Denn im Körper mit der höheren Temperatur bewegen sich die Atome und Moleküle im Mittel stärker. An der Kontaktfläche übertragen diese Teilchen daher einen Teil ihrer Bewegungsenergie auf die Materiebausteine im Körper mit der niedrigeren Temperatur.
Es findet also ein Energietransport statt – und das nicht nur an der Kontaktfläche: Auch im Inneren der beiden Körper geben die jeweils energiereicheren Teilchen ihre Energie an ihre nächsten Nachbarn ab. Dadurch gleicht sich die Temperatur der beiden Systeme allmählich an, bis sie schließlich überall denselben Wert aufweist und sich damit ein neues thermisches Gleichgewicht eingestellt hat. Der Energietransport läuft nicht in allen Stoffen gleich schnell ab – manche übertragen Wärme gut, manche schlecht.
In einem unregelmäßig aufgebauten, porösen Material wie Holz können die Atome ihre Bewegungsenergie relativ schlecht weitergeben. Holz hat daher eine geringe Wärmeleitfähigkeit. Sind die Atome dagegen regelmäßig in einem Kristallgitter angeordnet, funktioniert der Energietransport innerhalb des Materials deutlich besser. In elektrisch leitfähigen Stoffen wie Eisen oder Kupfer können zudem die frei beweglichen Elektronen von den schwingenden Atomen angestoßen werden und die Wärme so noch schneller durch das Gitter transportieren. Metalle sind daher gute Wärmeleiter. Eisen beispielsweise leitet Wärme etwa 400- bis 800-mal besser als Holz.
Die Wärmeleitfähigkeit entscheidet auch darüber, wie warm oder kalt sich ein Gegenstand für uns anfühlt. Die Hauttemperatur liegt etwa bei 30 Grad Celsius. Berühren wir nun einen kühlen Gegenstand, findet ein Energietransport von der warmen Haut in das kühlere Material statt. Wie schnell unserer Haut dabei Wärme entzogen wird, hängt von der Wärmeleitfähigkeit des berührten Materials ab. Verglichen mit Holz kühlt Metall die Haut aufgrund der höheren Wärmeleitfähigkeit beispielsweise viel schneller ab.
Spezielle Rezeptoren in der Haut reagieren auf diesen Wärmestrom – registrieren also eine langsame oder schnelle Abkühlung oder Erwärmung der Haut –, erfassen aber nicht die tatsächliche Temperatur des berührten Gegenstands. Daher fühlen sich die beiden Materialen trotz gleicher Temperatur unterschiedlich warm an. Dieser Effekt funktioniert natürlich auch umgekehrt: An einem heißen Metallstück verbrennen wir uns die Finger, während wir ein Holzstück gleicher Temperatur noch problemlos anfassen können.
Ganz ähnlich ist es, wenn wir bei einer Lufttemperatur von 21 Grad Celsius in 21 Grad Celsius warmes Meerwasser gehen: Wasser leitet Wärme etwa zwanzigmal besser als Luft. Unsere Haut führt folglich erheblich schneller Wärme an das Wasser ab als an die Luft – und wir frieren, bis sich ein neuer Gleichgewichtszustand eingestellt hat. Verlässt man das Wasser, friert man erneut. Hier spielt ein weiterer Effekt eine Rolle: Das Wasser auf der Haut verdunstet, entzieht unserem Körper dabei Wärme und die „gefühlte Temperatur“ sinkt. Durch Wind beschleunigt sich die Verdunstung und dadurch der Abstrom von Wärme, wodurch wir noch stärker zittern.
Die Thermorezeptoren unserer Haut können uns also ganz schön in die Irre führen. Wenn wir eine Temperatur bestimmen wollen, sollten wir doch lieber zu einem Thermometer greifen.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/thema/hinter-den-dingen/warum-fuehlt-sich-metall-kaelter-an-als-holz/