Warum ist Milch weiß?
Lisa Leander
Wie kommt die typische Farbe von Milch zustande? Ein genauer Blick auf die Bestandteile liefert die Antworten.
Milch besteht zu fast neunzig Prozent aus Wasser. Der Fettanteil von Kuhmilch liegt zwischen drei und sechs Prozent, je nach Kuhrasse und Fütterung. Wenn man sie im Supermarkt kauft, ist der natürliche Fettanteil meist reduziert. Weitere Inhaltsstoffe sind Milchzucker sowie Proteine, unter anderem Casein, das zu Käse verarbeitet werden kann. Außerdem enthält Milch eine Vielzahl anderer Stoffe in sehr kleinen Anteilen, zum Beispiel Magnesium, Kalzium oder Enzyme.
Die vielen Stoffe in der Milch machen sie zu einem sogenannten polydispersen System. Eine Dispersion besteht aus einem Medium – im Fall der Milch ist es das Wasser – und anderen Stoffen, die in dem Medium verteilt sind. Meist spricht man bei Milch allerdings nicht von einer Dispersion, sondern von einer Emulsion, also einem Gemisch zweier Flüssigkeiten. Denn das Fett schwimmt in Form kleiner Tröpfchen im umgebenden Wasser. Direkt nach dem Melken ist diese Emulsion sehr instabil. Das Fett setzt sich schnell ab, steigt auf und bildet eine Rahmschicht auf der Oberfläche.
Bevor sie in den Handel kommt, wird die Milch deswegen homogenisiert: Durch feine Düsen wird die Flüssigkeit auf eine Metallplatte gespritzt, wodurch die Fetttröpfchen zerkleinert werden – alle auf etwa die gleiche Größe. Mit einem Durchmesser von nur wenigen Hundert Nanometern verteilen sich die Tröpfchen besser in der Milch. Dass sie wieder zusammenfließen, verhindern unter anderem Emulgatoren, die zu den natürliche Inhaltsstoffen der Milch gehören. Sie bestehen aus Molekülen, die einen wasser- und einen fettlöslichen Teil besitzen. Sie umschließen die Tröpfchen und trennen das Fett von dem umgebenden Wasser.
Fällt Licht auf eine Flüssigkeit, wird ein Teil davon an der Oberfläche reflektiert, der Rest dringt hindurch. Wegen der vielen Fetttröpfchen und der anderen Stoffe, die in der Milch schwimmen, wird das Licht stark gestreut. Daher ist Milch trüb. Diese Art der Streuung, die auch in anderen Emulsionen und Dispersionen auftritt, nennen Wissenschaftler den Tyndall-Effekt. Gibt man dagegen andere Stoffe – wie etwa Salz – in Wasser, bleibt die Flüssigkeit klar. Denn die Salzionen sind viel kleiner als die Bestandteile der Milch und verteilen sich gleichmäßiger im Wasser. Dadurch entsteht eine Lösung, an der das Licht kaum gestreut wird.
Weiß erscheint uns die Milch deshalb, weil die Fetttröpfchen darin alle Wellenlängen des sichtbaren Lichts unzählige Male streuen. Und weil das Sonnenlicht oder etwa das Licht einer Glühlampe das gesamte sichtbare Farbspektrum abdecken – von rot über gelb, grün und blau bis hin zu violett – mischen sich diese Farben und es entsteht ein weißer Eindruck.
Ein interessanter Effekt entsteht, wenn man wenige Tropfen Milch in ein hohes Glas mit Wasser gibt, es hochhält und von oben eine Taschenlampe darauf richtet. Blickt man seitlich zum Strahl der Taschenlampe auf das Glas, sieht man einen bläulichen Schimmer, wenn man unten hineinschaut, erscheint das Gemisch rötlich. Der Grund: Das Licht, das komplett durch das Glas fällt und am Ende wieder hinaustritt, hat einen weiteren Weg genommen als das Licht, das seitlich herausscheint.
Die blauen, kurzwelligen Anteile werden auf dem langen Weg stärker gestreut als die langwelligen, roten Anteile. Deswegen ist die Farbe Blau in der Mitte des Glases sichtbar, während rotes Licht größtenteils durch die gesamte Flüssigkeit dringen kann. Luftmoleküle streuen das Licht ähnlich, deswegen erscheint der Himmel rot, wenn die Sonnenstrahlen am Morgen oder am Abend schräg durch die Atmosphäre fallen. In der unverdünnten Milch schwimmen jedoch so viele Stoffe, dass sich der Effekt durch die häufige Lichtbrechung aufhebt.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels war die Reflexion von Licht an Fetttröpfchen beschrieben. Dies haben wir im Dezember 2022 korrigiert.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/thema/hinter-den-dingen/warum-ist-milch-weiss/