Wie der Ton auf die Schallplatte kommt – und wieder herunter
Rainer Kayser und Redaktion
Schallplatten sind zwar eine alte Methode der Tonaufzeichnung – aber keineswegs eine überholte. Weder die CD noch Download und Streaming konnten den klassischen Tonträger vollständig vom Markt verdrängen. Im Jahr 2023 machte die Musikindustrie den größten Teil ihres Umsatzes zwar mit dem Digitalgeschäft, doch Vinyl-Platten sind in Deutschland mit einem Marktanteil von immerhin 6,3 Prozent vertreten. Das entspricht 4,6 Millionen verkauften LPs.
Schallplatten zeichnen – der Name sagt es schon – Schall auf, also jede Art von Tönen und Geräuschen. Ausgelöst wird Schall durch die schwingende Bewegung eines Körpers, etwa der Membran eines Lautsprechers oder der Saite einer Violine. Die Schwingung überträgt sich auf das umgebende Medium, in den Beispielen also auf die Moleküle der Luft: In manchen Bereichen werden die Abstände zwischen den Molekülen dadurch kleiner, in anderen größer. Diese periodischen Dichteschwankungen breiten sich von der Schallquelle in alle Richtungen aus – als Schallwelle.
Die mit den Dichteschwingungen einhergehenden Luftdruckschwankungen überlagern den atmosphärischen Luftdruck. Dabei nehmen wir das vom Schall übertragene Geräusch umso lauter wahr, je größer die durch die Schallwelle verursachten Luftdruckschwankungen sind. Verglichen mit dem atmosphärischen Luftdruck ist dieser „Schalldruck“ allerdings winzig: Die Schallwellen eines gewöhnlichen Gesprächs ändern den aktuellen Luftdruck um weniger als ein Millionstel seines Werts.
Durch einen Wetterwechsel oder durch Höhendifferenzen schwankt der Luftdruck deutlich stärker, aber auch deutlich langsamer – und das macht den Unterschied. Unser Gehör vermag Luftdruckschwankungen nämlich nur wahrzunehmen, wenn sie schnell ablaufen: Menschen können Schallwellen hören, bei denen die Dichte der Luft zwischen 16 und 20 000 Mal pro Sekunde schwingt. Je größer die Frequenz der Schwingungen, desto höher der wahrgenommene Ton. Musik, Sprache und andere Geräusche setzen sich meist aus verschieden lauten und leisen Tönen mit unterschiedlich hohen und tiefen Frequenzen zusammen, die die Luftmoleküle in einem komplexen Muster zum Schwingen anregen.
Von der Luft ins Vinyl
Auf einer Schallplatte sind die Schwingungen der Luft mechanisch eingraviert. Bei den ersten Versuchen zur Tonaufzeichnung im 19. Jahrhundert – zunächst auf zylinderförmigen Walzen, dann bereits wie heute auf runden Scheiben – wurde der Schall mit einem großen Trichter aufgefangen und auf eine Membran gelenkt. Die schwingende Membran trieb ein Stichwerkzeug an, das eine keilförmige Spur in das Material des Tonträgers schnitt. Heute zeichnet man den Schall mit Mikrofonen auf und treibt das Stichwerkzeug dann mit elektrischem Strom an, der durch das aufgezeichnete Tonsignal moduliert wird. Aber das Prinzip ist immer noch dasselbe.
Im Lauf der Zeit entwickelten sich verschiedene „Schriften“, um die aufgenommenen Dichteschwingungen der Luft in die Rillen einer Schallplatte zu schreiben. Die Grundlage bilden die Tiefenschrift – hier variiert die Tiefe und damit auch die Breite der Rille je nach Frequenz und Lautstärke des Schalls – und die Seitenschrift. Letztere speichert die Schallwellen in einer immer gleich breiten und tiefen Rille. Das Schneidwerkzeug bewegt sich während der Aufnahme ausschließlich in der horizontalen Ebene und ritzt eine schlangenförmig gebogene Spur ins Trägermaterial.
Ein entscheidender Nachteil der Tiefenschrift ist der begrenzte Lautstärkeumfang. Die Spur lässt sich schließlich nicht beliebig tief in eine Schallplatte schneiden – und das schränkt die Aufnahme ein. Aus diesem Grund hat sich schon früh die Seitenschrift durchgesetzt. Ein Manko haftet aber beiden Verfahren an: Es lässt sich jeweils nur ein Kanal aufzeichnen, es sind also nur Monoaufnahmen möglich.
Die naheliegende Idee, für den ersten Kanal die Seitenschrift und für den zweiten Kanal die Tiefenschrift zu nutzen, stellte sich als ungeeignet heraus. Da die beiden Verfahren den Schall unterschiedlich kodieren – einmal durch seitliche Auslenkung, einmal durch unterschiedliche Tiefe des Schnitts –, wird die Tonqualität der einzelnen Kanäle nämlich durch jeweils andere Faktoren beeinflusst. Und so führte die Kombination der beiden Methoden oft zu schlechteren Klangergebnissen
Bereits 1931 hatte der britische Ingenieur Alan Blumlein eine geniale Lösung für dieses Problem: Die beiden schrägen Flanken der keilförmigen Rille sollten unabhängig voneinander verwendet werden, um die beiden Kanäle aufzuzeichnen. Diese von ihm entwickelte „Flankenschrift“ geriet jedoch zunächst in Vergessenheit und wurde erst Ende der 1950er-Jahre kommerziell umgesetzt. Genau wie bei der Kombination von Tiefen- und Seitenschrift variiert bei diesem Gravurverfahren sowohl die Tiefe und Breite der Rille als auch deren horizontale Auslenkung. Allerdings kommt ein identisches Verfahren zum Einsatz, um das Signal in die linke und die rechte Flanke der Rille zu schreiben. Die Qualität der Aufzeichnung ist daher für beide Kanäle gleich.
Vom Vinyl in die Luft
Während anfangs noch jeder Tonträger einzeln hergestellt werden musste, geschieht dies heute nur noch selten. Die meisten modernen Schallplatten bestehen aus Polyvinylchlorid – daher auch die Kurzbezeichnung „Vinyl“ für diese Tonträger – und werden mithilfe von metallischen Stempeln in ein PVC-Granulat gepresst. Diese Stempel wiederum sind Negativkopien der sogenannten „Lackfolie“. Während der Aufzeichnung graviert ein Schneidstichel das Tonsignal auf diese mit einer Lackschicht überzogene Aluminiumscheibe – in Form einer spiralförmigen Rille. Die im Handel erhältlichen Schallplatten sind Kopien dieser Masterlackplatte.
Tücken beim Mastern
Bei der Erstellung des „Masters“ – also der Aufnahme, die schließlich in die Lackfolie geschnitten wird – gilt es, auf einige Besonderheiten des Tonträgers zu achten. Starke Unterschiede zwischen den Stereokanälen im Bassbereich können beispielsweise dazu führen, dass das Schneidwerkzeug während der Aufnahme „abhebt“ und damit den Kontakt zur Folie verliert.
Um dem vorzubeugen, gibt es auf Schallplatten bei Frequenzen unterhalb von 500 Hertz – das entspricht 500 Schwingungen pro Sekunde – kaum noch Stereoeffekte. Das erscheint unschön, ist es für die Hörerin oder den Hörer aber nicht. Denn das menschliche Gehör kann die Richtung derart tiefer Töne ohnehin nicht orten.
Und auch im Höhenbereich treten Probleme auf: Die zum Aufzeichnen der höchsten Frequenzen notwendige Geschwindigkeit können Schneidesysteme oft nicht originalgetreu ausführen. Deshalb wird der Höhenbereich bei etwa 18 000 Hertz beschränkt. Das ist eine der Ursachen dafür, dass viele Hörerinnen und Hörer den Klang einer Schallplatte im Vergleich zu digitalen Medien als „wärmer“ empfinden.
Nun ist der Schall also auf der Platte – und wie kommt er wieder herunter? Statt des Schneidstichels tastet eine Nadel, bei modernen Plattenspielern meist aus Diamant, die Rille ab. Bei den ersten Grammophonen übertrug ein Hebelsystem die Schwingungen der damals noch aus Stahl bestehenden Nadel direkt auf eine Membran. Ein großer Trichter erhöhte die Lautstärke und verbesserte die Tonqualität.
Bei modernen Plattenspielern übertragen sich die Schwingungen der Nadel direkt auf den ebenfalls vorn am Tonarm befestigten Tonabnehmer, wo die Schwingungen in ein elektrisches Signal umgewandelt werden. Über einen Verstärker gelangt das Signal schließlich zu den Lautsprechern der Musikanlage, deren schwingende Membranen es wieder in hörbaren Schall umwandeln.
Tonabnehmer
Um die Schwingungen der Nadel in elektrische Signale umzuwandeln, dominieren auf dem Markt zwei Systeme: zum einen Kristalltonabnehmer und zum anderen Magnetspulentonabnehmer.
In Kristalltonabnehmern erzeugen piezoelektrische Keramikstreifen elektrischen Strom, wenn sie durch die Schwingungen verbogen werden. Magnetspulensysteme setzen sich dagegen aus einem Magneten und zwei Spulen zusammen, für jeden Kanal eine. Gleitet die Nadel nun durch die Rille der Schallplatte, ändert sich der Abstand zwischen Magnet und Spulen, wodurch in den Spulen eine schwache elektrische Spannung induziert wird.
Magnetspulensysteme benötigen zwar einen Vorverstärker, um beim Abtasten entstehende Verzerrungen auszugleichen, liefern aber insgesamt eine bessere Tonqualität als Kristallsysteme und dominieren deshalb heute den Markt.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/thema/hinter-den-dingen/wie-der-ton-auf-die-schallplatte-kommt-und-wieder-herunter/