Jahresrückblick 2018
Redaktion
In diesem Jahr haben Physiker unter anderem Graphen in einen Supraleiter verwandelt, den Ursprung eines extragalaktischen Neutrinos ausgemacht und die Neudefinition des Kilogramms ermöglicht. Hier blicken wir noch einmal auf die Highlights aus 2018 zurück.
Im März machten Physiker einen großen Fortschritt bei der Suche nach neuen Supraleitern. In diesen Materialien fließt Strom bei tiefen Temperaturen ohne elektrischen Widerstand. Neben vielen Metallen und keramischen Werkstoffen können offenbar auch hauchdünne Schichten aus Kohlenstoff supraleitende Eigenschaften aufweisen – wenn man sie in einem „magischen Winkel“ zueinander anordnet.
In ihren Experimenten hatten die Forscher zwei Lagen aus bienenwabenförmig angeordneten Kohlenstoffatomen – sogenanntes Graphen – übereinandergelegt und um einen Winkel von 1,3 Grad verdreht. Beim Abkühlen der beiden Graphenschichten auf eine Temperatur von minus 271,5 Grad Celsius offenbarten sich die supraleitenden Eigenschaften des Materials.
Die Versuche belegen abermals, dass zweidimensionale Materialien wie Graphen physikalische Eigenschaften aufweisen, die sich deutlich von dreidimensionalen Festkörpern aus den gleichen chemischen Elementen unterscheiden.
Extragalaktische Teilchen
Für Aufmerksamkeit sorgte dieses Jahr auch ein winziges Teilchen, das Wissenschaftler mit einem riesigen Detektor in der Antarktis nachwiesen. Es handelt sich dabei um ein sogenanntes Neutrino – ein nahezu masseloses und elektrisch neutrales Elementarteilchen, das kaum mit Materie in Wechselwirkung tritt. Zwar spürt IceCube, so der Name des Observatoriums am Südpol, routinemäßig Neutrinos auf. Doch das im Juli vorgestellte Teilchen war besonders.
Denn die meisten registrierten Neutrinos stammen aus der Erdatmosphäre oder aus der Sonne und nur vergleichsweise wenige aus den Tiefen des Weltalls. In den vergangenen zwei Jahren beobachteten die Teams am Südpol insgesamt nur zehn solche hochenergetischen Neutrinos aus unterschiedlichen Himmelsrichtungen. Als Quelle dieser Elementarteilchen kommen etwa weit entfernte Sternexplosionen oder aktive Galaxienkerne infrage. Doch wo und wie diese extragalaktischen Neutrinos genau entstehen, war bislang unklar.
Am 22. September 2017 ließ sich dann ein weiteres hochenergetisches Neutrino mit IceCube nachweisen. Daraufhin suchten Astronomen die entsprechende Himmelsregion mit dem Gammateleskop MAGIC und dem Weltraumteleskop Fermi ab. Dabei stießen sie auf Gammastrahlung, die aus der gleichen Richtung wie das Neutrino kommt und von der rund 4,5 Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie TXS 0506+056 ausgeht. In deren Zentrum befindet sich ein supermassereiches Schwarzes Loch, um das sich Materie ansammelt.
Das am Südpol aufgespürte Neutrino stammt wahrscheinlich aus einem gebündelten Materiestrahl, der aus der Gas- und Staubscheibe um das zentrale Schwarze Loch entweicht. „Das übersteigt meine kühnsten Erwartungen“, kommentierte Klaus Helbing von der Universität Wuppertal die Ergebnisse im Interview mit Welt der Physik.
Flüssiges Wasser auf dem Mars
Doch nicht nur am Südpol der Erde ließ sich Erstaunliches messen, sondern auch am Südpol des Mars. Dort machte die ESA-Raumsonde Mars Express möglicherweise ein großes Wasserreservoir ausfindig, das sich unter dem polaren Eis befindet. Ausgetrocknete Flussbetten und Seen hatten bereits darauf hingedeutet, dass es einmal flüssiges Wasser auf dem Roten Planeten gab. In der Atmosphäre lassen sich zudem geringe Mengen an Wasserdampf aufspüren und auf der Oberfläche findet sich gefrorenes Wasser.
Zwischen 2012 und 2015 kartografierten Forscher mithilfe des Radargerät MARSIS an Bord von Mars Express eine zweihundert Kilometer breite, quadratische Fläche in der Region „Planum Australe“ am Südpol des Mars. Die Radarwellen durchdrangen das polare Eis und wurden an den darunterliegenden Schichten teilweise zurückgeworfen. Bei diesen Messungen entdeckten die Wissenschaftler einen stark reflektierenden, zwanzig Kilometer breiten Bereich unter dem Eis, den sie als Wasserreservoir identifizierten. Denn eine Wasseroberfläche reflektiere mehr Radarwellen als eine Gesteins- oder Sedimentschicht und ließe sich daher gut unterscheiden. Ob es sich tatsächlich um flüssiges Wasser handelt, müssen künftige Analysen aber noch bestätigen.
Neudefinition des Kilogramms
Tatsachen geschaffen wurden dagegen am 16. November 2018: Die sechzig Mitgliedsstaaten der sogenannten Meterkonvention sprachen sich einstimmig für einen grundlegenden Wandel im Internationalen Einheitensystem aus. In Zukunft sollen sich alle Maßeinheiten auf die festgelegten Werte von sieben ausgewählten Naturkonstanten beziehen.
Einige Einheiten wurden bereits vor Jahrzehnten auf eine solide Basis gestellt: Eine Sekunde definiert man seit 1967 mithilfe der im Universum überall identischen Schwingungsfrequenz von Cäsium, einen Meter seit 1983 mithilfe der Lichtgeschwindigkeit. Anders bei Ampere, Mol, Kelvin, Candela und Kilogramm. Das Kelvin wird beispielsweise über den Tripelpunkt von Wasser definiert – und hängt damit von der genauen Isotopenzusammensetzung des verwendeten Wassers ab.
Das Ampere bezieht sich auf eine sehr idealisierte Definition zweier unendlich langer Leiter. Und das Kilogramm orientiert sich an dem Gewicht des Urkilogramms – eines Metallzylinders in einem Tresor in Paris. „Das Problem bei dem Vergleichskörper ist der Vergleichskörper selbst“, so Frank Härtig von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt im Podcast von Welt der Physik. Denn chemische oder physikalische Prozesse und natürlich jeder Kratzer können das Gewicht des Urkilogramms verändern. Naturkonstanten dagegen schwanken nicht und ermöglichen damit eine verlässliche Definition. Die Neudefinitionen werden am 20. Mai 2019 in Kraft treten, am internationalen Tag der Metrologie.
Nobelpreis für Laserphysiker
Ein weiterer fester Termin im Kalender ist der 10. Dezember: An diesem Tag verleiht die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften unter anderem den Nobelpreis für Physik, so auch 2018. Dieses Jahr ging das Preisgeld zur Hälfte an Arthur Ashkin „für die Entwicklung optischer Pinzetten und deren Anwendung in der Biologie“ und zur anderen Hälfte gemeinsam an Gérard Mourou und Donna Strickland „für die Entwicklung einer Methode, mit der sich hochenergetische, ultrakurze optische Pulse erzeugen lassen“.
In den 1960er- und 1970er-Jahren experimentierte Arthur Ashkin in den Bell Laboratories in den USA mit der damals noch jungen Lasertechnik. Der Physiker perfektionierte die Eigenschaften eines Laserstrahls und entwickelte so ein maßgeschneidertes Laserwerkzeug, mit dem sich kleine Partikel – etwa Atome, Zellen oder Bakterien – gezielt bewegen oder einfangen lassen. In der Biophysik und angrenzenden Bereichen sind solche optischen Pinzetten inzwischen nicht mehr wegzudenken.
Donna Strickland und Gérard Mourou ebneten den Weg zu extrem kurzen und intensiven Laserpulsen. Denn die beiden Eigenschaften – ultrakurz und extrem intensiv – wollten sich nicht so recht in einem Laserpuls vereinen lassen: Überstieg die Intensität eine gewisse Grenze, zerstörte der Strahl einzelne Komponenten des Lasers. In den 1980er-Jahren arbeitete Strickland als Doktorandin von Mourou an der University of Rochester in den USA. In ihren Experimenten schickten die beiden Physiker einen kurzen Laserpuls, der sich aus verschiedenen Wellenlängen zusammensetzte, auf eine Anordnung aus optischen Gittern.
Abhängig von der Wellenlänge bewegte sich das Laserlicht nun etwas schneller oder etwas langsamer durch den Parcours. Auf diese Weise wird der Laserpuls in die Länge gezogen. „Und das ist genial, dass sie dadurch einfach den Puls länger machen“, so Oswald Willi von der Universität Düsseldorf im Podcast von Welt der Physik. Denn verglichen mit dem ursprünglichen Laserpuls treffen jetzt innerhalb eines gewissen Zeitraums sehr viel weniger Photonen auf die kleinen Spiegel und Verstärker im Laser – und sie gehen nicht mehr kaputt. Der verstärkte Puls lässt sich dann ebenfalls mithilfe von optischen Gittern wieder zusammenschieben. Das Ergebnis ist ein ultrakurzer und extrem intensiver Laserpuls.
1985 stellten Strickland und Mourou ihr neues Verfahren – Chirped Pulse Amplification, kurz CPA genannt – vor. Inzwischen kommt diese Technik in vielen Hochleistungslasern zum Einsatz und erlaubt millionenfach höhere Laserpulsleistungen – längst nicht nur in Physikinstituten, sondern beispielsweise auch in Kliniken für Augenoperationen. Mit ihren Arbeiten haben die in diesem Jahr ausgezeichneten Wissenschaftler die Laserphysik revolutioniert, so das Nobelpreiskomitee.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/thema/jahresrueckblicke/jahresrueckblick-2018/