Der neue Physik-Präsident kommt aus Würzburg
Eberhard Umbach (58), Professor für Experimentalphysik an der Universität Würzburg, ist neuer Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG).
Bad Honnef/Würzburg - Der DPG-Präsident wird
jeweils für zwei Jahre gewählt. Umbach ist Nachfolger von Prof. Dr. Knut
Urban (Forschungszentrum Jülich), der in das Amt des Vizepräsidenten
wechselt.
Eberhard Umbach möchte das gesellschaftspolitische Engagement der DPG
weiter vorantreiben und sieht Bildungs- und Hochschulfragen als
Schwerpunkte seiner Amtszeit. So hatte sich die DPG in einem im März
veröffentlichten Thesenpapier für eine grundsätzliche Neugestaltung der
Ausbildung von Physik-Lehrerinnen und -Lehrern ausgesprochen. Für Umbach
eine wichtige Diskussion. "Allem voran gilt es, die Lehrerausbildung
signifikant zu verbessern", sagt er. "Dabei denke ich nicht nur an die
Rekrutierung unseres Forschernachwuchses, sondern vor allem an die
langfristige Ausstrahlung und an die Erziehung unserer Gesellschaft.
Grundkenntnisse der Naturwissenschaften gehören zur Allgemeinbildung."
Der DPG-Präsident betont: "Wir sollten darauf hinwirken, die Inhalte des
physikalischen Schulunterrichts zu reformieren und einen Teil der eher
abstoßenden Vermittlung von Formeln und Fakten zu ersetzen". In diesem
Sinne fordert Umbach "eine stärker motivierende Behandlung spannender
Themen aus Physik und Technik." Außerdem spricht er sich für einen
eigenständigen Physik-Unterricht aus: "Wir müssen dem Trend einiger
Bundesländer entgegenwirken, die Physik einzuschränken und in einem eher
diffusen Schulfach 'Naturwissenschaft und Technik' aufgehen zu lassen."
Am Herzen liegt dem DPG-Präsidenten nicht nur die Physik in der Schule,
sondern auch die Ausbildung der Fachphysiker: "Der so genannte
Bolognaprozess hat uns die Abschaffung des lieb gewonnenen Diploms und
die Einführung des international etablierten Bachelor- und Mastersystems
beschert." Die DPG begleite diesen Wandel, so Umbach. "Dabei sollte aber
unbedingt Konsens bleiben, dass es sich um ein konsekutives Studium
handelt, dass also nur der Bachelor zusammen mit dem darauf folgenden
Master zur Berufsqualifikation als Physiker oder Physikerin führt."
Die hohe Qualität des traditionellen Diplomstudiums müsse erhalten
bleiben, fordert Umbach. "Ich sehe durchaus die Gefahr, dass wir nach
und nach gezwungen werden, unsere bisherigen Qualitätsstandards im
Rahmen des europäischen Angleichungsprozesses auf einen gemeinsamen und
damit kleinsten Nenner zu reduzieren, sie also im Klartext dem
niedrigsten Standard anzupassen", so der DPG-Präsident. "Dagegen müssen
wir uns mit aller Entschiedenheit wehren. Wenn uns das nicht gelingt,
wäre die Einführung von Bachelor und Master in der Tat der Beginn einer
Bildungskatastrophe."
Mit Unbehagen verfolgt Umbach, dass sich im Zuge des Bologna-Prozesses
eine Verschulung der Promotion andeutet. "Dies liefe den Gepflogenheiten
der deutschen Physikpromotion zuwider, da wir die Promotionsphase bisher
als zusätzliche Qualifikations- und Forschungsphase, nicht jedoch als
weiterführende Studienphase ansehen", sagt er. "Promovierende sind nach
unserem Verständnis junge Mitarbeiter, die im Rahmen von
Arbeitsverträgen mit Forschungsaufgaben betraut sind, jedoch nicht als
Studierende Hörsaalbänke drücken sollen." Der DPG- Präsident
unterstreicht: "Etwa zwei Drittel der Forschungsleistung in der Physik
wird hierzulande von Doktorandinnen und Doktoranden geleistet; sie
stellen deshalb eine zentrale Säule der Forschung dar, an der wir nicht
rütteln dürfen, weil wir sonst das ganze Forschungsgebäude gefährden.
Wir müssen deshalb dafür eintreten, dass die künftigen Promotionsregeln
so viel Spielraum lassen, dass unsere Auffassung der Physikpromotion
darin Platz findet."
Zu der jüngst eingeleiteten "Exzellenzinitiative" meint der
DPG-Präsident: "Der Wettbewerb zwischen den Universitäten hat
zweifelsohne eine Reihe von positiven Aspekten, abgesehen davon, dass
etwas zusätzliches Geld in die chronisch unterversorgten Hochschulen
gepumpt wird. Er führt zu einem intensiven Nachdenk- und
Restrukturierungsprozess, bringt Wissenschaftler sehr unterschiedlicher
Provenienz an einen Tisch und setzt dabei unerwartete Synergien und
erstaunliche Kreativitäten frei." Allerdings seien die in Aussicht
gestellten Mittel "nur auf den ersten Blick beeindruckend", so Umbach.
"Wenn man überlegt, dass eine Million Euro pro Jahr für eine
Graduiertenschule nach Abzug der Verwaltungs- und Gemeinkosten durch 20
oder gar 30 Lehrstühle geteilt werden muss, dann bleibt für die einzelne
Arbeitsgruppe vielleicht noch eine halbe Stelle übrig."
Sorge bereitet dem DPG-Präsidenten das Fehlen einer
Nachfolgefinanzierung nach Ablauf der Bundesinitiative. "Sollen die mit
viel Mühe neu geschaffenen Aktivitäten dann wieder versiegen? Oder wird
das erforderliche Geld zur Weiterfinanzierung der Exzellenzprojekte
durch Umverteilungen im Haushalt der Länder und Universitäten den
Verlierern der Exzellenzinitiative weggenommen? Das könnte allerdings
höchst bedenkliche Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in
Deutschland haben."
DPG
Quelle: https://www.weltderphysik.de/thema/politik-institutionen/2006/der-neue-physik-praesident-kommt-aus-wuerzburg/